Bern – Michael Flügger, seit knapp zwei Monaten deutscher Botschafter in der Schweiz, hält Neuverhandlungen über die Kernpunkte des Rahmenabkommens mit der EU für unrealistisch. Nachverhandlungen seien dagegen in Brüssel gang und gäbe.
Deutschland werde sich dafür einsetzen, dass die Schweiz mit der EU über alle Themen ausserhalb der Kernpunkte verhandeln könne, sagte Flügger in einem Interview mit dem «Blick». Er gehe davon aus, dass die EU-Kommission auch die direkten Nachbarn der Schweiz anhören werde.
In Brüssel seien Nachverhandlungen an der Tagesordnung. Zu vielen Verträgen würden Erklärungen, Anhänge oder Vereinbarungen zu einem Hauptvertrag (Side Letters) verabschiedet. Es gebe eine Menge Möglichkeiten, rechtliche Absicherungen zu treffen.
Keine Einwanderung in die Sozialhilfe
Als konkretes Beispiel erwähnte Flügger die Unionsbürgerrichtlinie, die neben dem Lohnschutz und den staatlichen Beihilfen zwischen der EU und der Schweiz umstritten ist. Es gehe dabei sicherlich nicht darum, dass jeder in die Sozialhilfe einwandern könne. Wenn das die Sorge sei, darüber könne man sicher nochmals reden.
Flügger nahm auch zu den unterschiedlichen Ansichten über den Europäischen Gerichtshof (EuGH) Stellung. Die Rolle des EuGH sei sehr beschränkt. Er solle nur beigezogen werden, wenn eine Streitfrage EU-Recht betreffe.
«Jetzt zu behaupten, der EuGH werde der Schweiz alles befehlen, ist einfach Unsinn. In dieser Abwehrhaltung geht vergessen, wozu das Abkommen dient», sagte Flügger weiter. Die bilateralen Verträge seien jetzt 21 Jahre alt. Seither habe sich die Welt verändert.
Brüssel wartet auf Antwort aus Bern
Dass die bilateralen Beziehungen auf dem Stand von 1999 seien, könne nicht im Interesse der Schweiz sein. Bleibe die Frage, ob neue Verhandlungen eine bessere Lösung brächten. Die EU-Kommission warte auf eine Antwort des Bundesrates, der klar sagen müsse, was er wolle. (awp/mc/pg)