Raiffeisen-Chefökonom Martin Neff. (Foto: Raiffeisen)
St. Gallen – Die Schweizer Wirtschaft dürfte im laufenden Jahr nach Ansicht der Raiffeisen-Ökonomen um 1,6% zulegen. Damit werde die hiesige Konjunktur ihr Potential nicht vollends ausschöpfen, das etwa bei 1,9% liege. Der Hauptgrund sei die Wachstumsschwäche der Euro-Zone.
Europa bleibe 2015 das schwächste Glied der Weltwirtschaft, was die Schweiz zusehends in Mitleidenschaft ziehe, erklärte Raiffeisen-Chefökonom Martin Neff am Mittwoch vor den Medien in Zürich: «Auf die Dauer kann sich auch die Schweiz nicht der europäischen Wachstumsschwäche entziehen.» Zudem fehlten Impulse aus anderen Teilen der Welt, welche die schwache europäische Nachfrage kompensieren könnten. Mittlerweile habe die Schweizer Exportwirtschaft den Wechselkursschock durch den teuren Franken zwar verdaut, dafür lasteten nun Wachstumssorgen auf ihr.
Die Exporte dürften im laufenden Jahr um knapp über 2% zulegen nach 3,0% im 2014. Das sei zwar bescheiden, aber die stärkste aller Zuwachsraten. Die Exportindustrie habe den Schock durch den hohen Franken schon längstens verdaut, sagte Neff. Jetzt brauche es Impulse aus dem Ausland, die aber nur langsam kommen würden. «Selbst Europa wird 2015 ein höheres Wachstum erzielen als 2014.»
Schub durch Ölpreissturz
Neben der lockeren Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) würden die unlängst ins Purzeln geratenen Erdölpreise wie ein Konjunkturprogramm wirken. Die tiefen Ölpreise und ein schwacher Euro begünstigten die deutsche Wirtschaft, was sich indirekt auf die Schweiz auswirke, deren wichtigster Absatzmarkt Deutschland sei. Der Ölpreis habe sich halbiert. Das dürfte der deutschen Wirtschaft ein zusätzliches Wachstum von 0,2% bringen, sagte Neff.
Der Bau lege mit 1% teuerungsbereinigt am wenigsten zu. «Angesichts der überlasteten Kapazitäten ist das aber eine nicht ganz unwillkommene Entwicklung», hiess es weiter.
Der wichtige Privatkonsum werde sich von 1,0 im vergangenen Jahr auf 1,2% beschleunigen, prognostizieren die Raiffeisen-Ökonomen. Auch das Wachstum der Ausrüstungsinvestitionen werde von 0,9 auf 1,5% anziehen. Am Immobilienmarkt, den die Schweizerische Nationalbank mit Argusaugen betrachtet, werde es keinen Crash geben, sondern eine Fortsetzung der sanften Landung.
Schweiz als «grüne Insel»
«Wir bleiben die grüne Insel in Europa bezüglich Wettbewerbsfähigkeit, Finanzstabilität und Wachstumspotential», sagte Neff. Auch 2015 herrsche nahezu Vollbeschäftigung. Die Arbeitslosenquote werde von 3,2 auf 3,1% leicht sinken. Die kurzfristigen Zinsen dürften auch im laufenden Jahr bei Null bleiben, weil der Franken durch den Mindestkurs von 1,20 CHF pro Euro an die Euro-Zone gekoppelt sei. Und die EZB werde 2015 keine Zinserhöhungen vornehmen, sagte Neff.
Vor gut einem Jahr hatte der Raiffeisen-Chefökonom noch ein Wachstum des Bruttoinlandproduktes (BIP) der Schweiz von 2,6% für 2014 vorhergesagt. Damit war er der Euphorischste aller Konjunkturauguren gewesen.
Im Laufe des Jahres musste er die Prognose allerdings nach unten korrigieren auf 1,5% im Herbst. Vor gut einem Jahr sei von den geopolitischen Krisen wie beispielsweise der Krim-Annexion durch Russland noch nichts in Sicht gewesen, rechtfertigte sich Neff. Nun sieht er nach den jüngsten BIP-Korrekturen des Staatssekretariates für Wirtschaft (Seco) ein Wirtschaftswachstum von 1,8% für 2014. (Raiffeisen/mc/pg)