Bern – Die Corona-Neuinfektionen nehmen zurzeit rasant zu und dürften in den nächsten Tagen wieder auf über 1000 Fälle pro Tag klettern. Die Coronavirus-Neuansteckungen verdoppeln sich somit aktuell jede Woche.
Dieses Infektionsgeschehen habe bisher aber keine sichtbaren negativen Auswirkungen auf das Schweizer Gesundheitssystem, sagte Patrick Mathys, Leiter Sektion Krisenbewältigung im Bundesamt für Gesundheit (BAG), am Dienstag vor den Medien in Bern.
Zurzeit seien die Hospitalisierungen auf einem niedrigen Niveau, der 7-Tages-Schnitt liege bei 3 bis 4 Spitaleinweisungen. Die Intensivstationen der Spitäler seien zu fast 70 Prozent ausgelastet, der Anteil der Covid-Patientinnen und -Patienten liege jedoch bei nur 3,8 Prozent der verfügbaren Betten.
Belastung des Gesundheitswesens als Kerngrösse
Die Belastung des Gesundheitswesens ist gemäss Mathys die Kerngrösse. Das Ziel des Bundesrats sei es, das Gesundheitssystems vor Überlastung zu schützen, sagte er.
Für die stark gestiegenen Ansteckungszahlen sind laut Mathys hauptsächlich die Altersgruppen der 10- bis 19-Jährigen und noch mehr die 20- bis 29-Jährigen verantwortlich, die die niedrigste Impfrate aufwiesen. Die hochansteckende Delta-Variante macht unterdessen drei Viertel aller Coronavirus-Fälle aus.
In der Schweiz und in Liechtenstein wurden dem BAG am Dienstag innerhalb von 24 Stunden 707 neue Coronavirus-Ansteckungen gemeldet. Zugleich wurden acht Spitaleinweisungen und ein Todesfall verzeichnet.
Warnung vor neuer Pandemie-Welle
Die wissenschaftliche Covid-19-Taskforce des Bundes warnt angesichts steigender Corona-Fallzahlen und des inzwischen abnehmenden Impftempos vor einer weiteren gravierenden Pandemie-Welle. «Wir können nochmals eine Welle erleben, die höher war als im letzten Herbst», sagte Taskforce-Vizepräsidentin Samia Hurst vor dem Medien.
Deshalb müsse das Impfen weiter vorangetrieben werden, so Hurst. Im Mai und Juni sei die Schweiz gut unterwegs gewesen mit rückläufigen Fallzahlen und zunehmendem Impftempo. Seit Mitte Juli gehe aber das Impftempo zurück. Gemäss BAG sind bisher 44,8 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft.
Die Bereitschaft zu einer Corona-Impfung nahm seit dem März zunächst zu. Möglichst schnell wieder zu einem normalen Leben zurückzukehren und wieder reisen zu können, sind die Hauptgründe dafür, wie eine Umfrage der Forschungsstelle Sotomo ergab.
Wolle man noch mehr Menschen erreichen, um sie von einer Impfung zu überzeugen, müsse man ihnen die Nachteile des Nicht-Impfens deutlich machen, sagte Michael Herrmann, Leiter der Forschungsstelle Sotomo, vor den Medien.
Ein Vergleich der Situation von Mitte März mit jener Mitte Juni dieses Jahres zeige zudem, dass der Graben weiterbestehe zwischen jenen, die den Behörden grundsätzlich misstrauen, wie es Impf-Skeptiker und Corona-Massnahmen-Skeptiker tun, und jenen, die sich korrekt behandelt und informiert fühlen.
Zunächst keine neuen Massnahmen
Der Bund ergreift nach Angaben der Gesundheits-Fachexperten vorerst keine neuen Massnahmen gegen das Coronavirus. Der Bundesrat werde im August wieder Sitzungen abhalten und die Situation beurteilen, sagte Mathys.
Bei einer allfälligen Verschärfung der Massnahmen muss laut Mathys auch eine Erweiterung des Covid-19-Zertifikats etwa für den Zugang zu Restaurants oder Kinos in Betracht gezogen werden. Im Raum stehe auch die Frage, ob Tests als Option aus dem Zertifikat entfernt werden sollen, sagte er. Diese zeigten Infektionen nicht immer an. Letztlich seien das aber politische Entscheide. (awp/mc/pg)