Raumplanung: Volk setzt erneut ein Zeichen gegen die Zersiedelung
Das schon fast traditionelle Vollzugsdefizit in der Raumplanung soll gelindert werden.
Bern – Zum zweiten Mal innert Jahresfrist hat das Schweizer Volk ein deutliches Zeichen gegen die Zersiedelung gesetzt: Nach dem Ja zur Zweitwohnungs-Initiative vor einem Jahr, sagte der Souverän am Sonntag mit 62,9% Ja zum revidierten Raumplanungsgesetz. Einzig der Kanton Wallis erteilte der Vorlage mit 80,4% eine wuchtige Abfuhr. Entsprechend enttäuscht vom Schweizer Resultat zeigte sich denn auch die Walliser Regierung: Das Gesetz werde technisch, juristisch aber insbesondere finanziell schwierig umzusetzen sein, sagte CVP-Staatsrat Jean-Michel Cina.
Der Kanton verlangt nun Einsitz in den Arbeitsgruppen, um Lösungen zu finden, die der speziellen Situation des Wallis Rechnung tragen. Der Präsident der kantonalen Baudirektorenkonferenz, Regierungsrat Jakob Stark (SVP/TG), versprach «Augenmass» bei der Umsetzung. Betroffen von der Gesetzesrevision sind insbesondere Kantone, die in der Vergangenheit ihren Baulandbedarf nicht gesetzeskonform auf 15 Jahre ausgerichtet haben. Sie werden nun mit dem neuen Gesetz raumplanerisch an die kürzere Leine genommen. Die Kantone haben fünf Jahre Zeit, ihre Richtpläne an die 15-Jahre-Regel anzupassen.
Kantone mit überdimensionierten Bauzonen müssen zurückzonen und auf neu eingezontem Bauland muss mindestens 20 Prozent des Mehrwerts abgeschöpft werden. Damit Bauland nicht gehortet wird, können Eigentümer innert bestimmter Fristen zum Bauen verpflichtet werden.
Zuversichtliche Bundesrätin
«Ich bin überzeugt, dass wir verträgliche Lösungen finden», sagte Bundesrätin Doris Leuthard am Sonntag vor den Medien in Bern und sicherte den Wallisern die Unterstützung des Bundes zu. Spielraum gebe es insofern, als dass überdimensioniertes Bauland nicht zwingend in Landwirtschaftsland umgewandelt werden müsse, sondern auch als Reservezone rückgezont werden könne. Zudem werde der Bund Hand bieten zu einem Vorgehen in Etappen, sagte sie.
Nun will sich der Bund mit den Kantonen zusammensetzen, um die Details zu regeln. Dazu gehört, wie der Baulandbedarf für 15 Jahre berechnet werden soll. Leuthard rechnet damit, dass Gesetz und Verordnung im Frühling 2014 in Kraft gesetzt werden.
Fordernde Gegner
Die Verlierer vom Sonntag, insbesondere der Schweizerische Gewerbeverband (sgv), der das Referendum ergriffen hatte, economiesuisse, die SVP und die FDP forderten, dass die verfassungsmässig garantierte Eigentumsfreiheit respektiert wird. Der sgv will sich für eine «massvolle und optimale Umsetzung» einsetzen. Er verlangt, dass die kantonalen Gewerbeverbände einbezogen werden, «damit die Bedürfnisse des Gewerbes berücksichtigt werden», sagte Direktor Hans-Ulrich Bigler. Um geplante Projekte nicht zu gefährden, solle das Gesetz zudem erst 2015 in Kraft treten.
Der Hauseigentümerverband (HEV) erwartet nun wegen möglicher Enteignungen und Bauverpflichtungen eine Prozesslawine, wie Präsident und Nationalrat Hans Egloff (SVP/ZH) sagte. Zudem warnte er erneut vor höheren Wohnkosten.
Freude über Resultat
Für den Schweizerischen Mieterverband und die Grünen ist jedoch klar, dass das neue Gesetz nicht zu einer Verknappung von Bauland und damit zu teureren Mieten führt. Viel mehr begrüssen die Grünen, dass Bauland nun nicht mehr gehortet werden kann und der Bodenspekulation Einhalt geboten wird. Die Umsetzung des Raumplanungsgesetzes (RPG) werde nicht überall schwierig sein, sagte Werner Luginbühl, Präsident des bürgerlichen und bäuerlichen Pro-Komitees und BDP-Ständerat (BE). «Man wird aber nicht auf alles und jedes Rücksicht nehmen können.»
SP-Nationalrat Beat Jans geht davon aus, dass «die betroffenen Kantone pragmatisch vorgehen werden», da sie für die Rückzonungen Zeit hätten. Für die SP ist das Gesetz «eine Lösung, die allen statt wenigen zu Gute kommt». Und die CVP ist erleichtert, dass die Landschaftsinitiative abgewehrt wurde.
Druck der Landschaftsinitiative hat gewirkt
Deren Initianten um Pro Natura können sich nun etwas zurücklehnen: Das revidierte Raumplanungsgesetz geht auf ihre Initiative zurück, die ein 20-jähriges Moratorium auf die Einzonung von neuem Bauland wollte. «Die Initiative hat Geschichte geschrieben, denn sie hat erstmals in 30 Jahren Verbesserungen bei der Raumplanung ermöglicht», sagte Zentralsekretär Otto Sieber.
Das Gesetz werde Ausnahmen erschweren und gebe klare Vorgaben, welche durch die nun zu erarbeitende Verordnung nicht verwässert werden könnten. «Gute Beispiele für verdichtetes Bauen gibt es im ganzen Land und ich hoffe, dass sie Schule machen werden.» (awp/mc/upd/ps)