Renteninitiative will Rentenalter auf mindestens 66 Jahre anheben
Bern – Arbeiten bis zum Alter von 67 Jahren und länger: Das verlangt die Renteninitiative, die die Jungfreisinnigen am Dienstag lanciert haben. Sie wollen das Rentenalter künftig an die Lebenserwartung koppeln.
Die finanziellen Probleme der Altersvorsorge sind bekannt und kaum bestritten: Trotz des Zustupfs aus der AHV-Steuervorlage decken die Einnahmen die Ausgaben in einigen Jahren nicht mehr. In der beruflichen Vorsorge werden die Einlagen der aktiven Generation zur Zahlung von Renten verwendet. Die steigende Lebenserwartung ist nicht der einzige, aber ein wichtiger Grund für diese Entwicklung.
«Länger arbeiten»
Um das Problem zu lösen, schlagen die Jungfreisinnigen ein höheres Rentenalter vor. «Wenn wir länger leben, müssen wir auch länger arbeiten. Sonst geht es mit den Finanzen nicht auf», erklärte Patrick Eugster, Präsident des Initiativkomitees, vor den Bundeshausmedien.
Gemäss Initiativtext, den die Bundeskanzlei im Bundesblatt publiziert hat, soll in einem ersten Schritt das Frauenrentenalter auf 65 Jahre angehoben werden. Schrittweise soll das Rentenalter von Frauen und Männern dann auf 66 Jahre steigen. Dies dürfte 3032 erreicht sein.
Danach wird das Rentenalter an die Lebenserwartung gekoppelt: Pro Monat zusätzlicher Lebenserwartung soll das Rentenalter um 0,8 Monate steigen. Gestützt auf die Prognosen des Bundes haben die Initiantinnen und Initianten errechnet, dass 2043 Rentenalter 67 erreicht sein dürfte, 2056 Rentenalter 68.
Das Rentenalter müsste fünf Jahre im Voraus bekanntgegeben werden. Dieser Mechanismus garantiere Planungssicherheit für künftige Rentnerinnen und Rentner und auch, dass jede und jeder mindestens 20 Prozent seines Lebens im Ruhestand verbringen könne, sagte Eugster.
Unpopuläre Einschnitte
In der Summe bedeutet die Koppelung aber auch höhere Beiträge aufgrund der längeren Beitragsdauer bei gleichzeitiger Rentenkürzung aufgrund der gegenüber heute verkürzten Bezugsdauer. Das ist ein Grund dafür, dass sich im Parlament bisher keine Mehrheit dafür gefunden hat. Diskutiert wird über die Koppelung von Lebenserwartung und Rentenalter schon lange. Die BDP hatte 2012 eine Motion mit dieser Forderung eingereicht, war damit aber im Ständerat aufgelaufen.
Der Bundesrat verfolgt eine Politik der kleinen Schritte. Mit der AHV-Reform, die er dem Parlament im August vorgelegt hat, soll vorerst nur das Rentenalter der Frauen an jenes der Männer angeglichen werden. Zudem soll der Altersrücktritt flexibilisiert werden: Nach dem Plänen könnte die Rente künftig zwischen 62 und 70 Jahren bezogen werden.
Fit für den Arbeitsmarkt
Neben Bedenken bezüglich der Mehrheitsfähigkeit hat der Bundesrat auch immer wieder auf die beschränkte Kapazität des Arbeitsmarkts hingewiesen. Wenn das Rentenalter steigt, braucht es mehr Jobs. Die Jungfreisinnigen glauben allerdings nicht, dass das ein Problem darstellt.
Mit der Pensionierung der Babyboomer-Generation würden eine Million Stellen frei, sagte Gian Brun, Vizepräsident des Initiativkomitees. «Die Jobs sind vorhanden.» Die ältere Generation könne mit Weiterbildungen und fairen Lohnabzügen fit gemacht werden für den Arbeitsmarkt.
Für körperlich anspruchsvolle Jobs brauche es Branchenlösungen wie heute auf dem Bau. Die meisten Menschen arbeiteten aber im Dienstleistungssektor, sagte Brun. Sie könnten mithelfen, die Altersvorsorge in ein nachhaltiges System zu verwandeln.
Zerstrittene Jungparteien
Die Initiantinnen und Initianten haben bis am 5. Mai 2021 Zeit, die für das Zustandekommen des Volksbegehrens nötigen 100’000 Unterschriften zu sammeln. Sie hoffen dabei auf die Unterstützung der Mutterpartei.
Diese ist im Initiativkomitee gut vertreten. Darin sitzen mehrere Bundesparlamentarierinnen und -parlamentarier, darunter die Nationalräte Thierry Burkart (AG) und Christian Wasserfallen (BE), die Nationalrätinnen Christa Markwalder (BE) und Regine Sauter (ZH) sowie Ständerat Andrea Caroni (AR).
Ob sich auch die übrigen bürgerlichen Jungparteien an der Unterschriftensammlung beteiligen, ist ungewiss. Die Renteninitiative hat bereits zu einem Zerwürfnis geführt. Die Jungparteien von BDP, CVP, EVP, GLP und SVP werfen den Jungfreisinnigen vor, die Initiative trotz vorgängiger Absprache im Alleingang geplant zu haben. Sie haben daher eine aktive Mitwirkung vorerst abgelehnt. (awp/mc/ps)