Replay: TV-Werbung darf auch weiterhin überspult werden
Bern – Der Nationalrat will keine Einschränkung beim Replay-TV. Er lehnte einen Passus im Urheberrecht ab, der den TV-Stationen mehr Verhandlungsmacht gegeben hätte.
Beim Replay-TV schalten viele Zuschauerinnen und Zuschauer bei Werbung auf Schnellvorlauf, wodurch Werbeeinnahmen entfallen. Die Rechtskommission des Nationalrates wollte deshalb im Gesetz verankern, dass die Kabelnetzunternehmen das Überspulen der Werbung nur dann ermöglichen dürfen, wenn der TV-Sender dem zugestimmt hat.
Kommissionssprecher Matthias Aebischer (SP/BE) betonte, niemand wolle Replay-TV verbieten, auch nicht das Überspulen der Werbung. Die Kommission wolle vor allem Verhandlungen herbeiführen zwischen TV-Sendern und Kabelnetzunternehmen. Er wies darauf hin, dass letztere – insbesondere Swisscom und UPC – mit Replay-TV viel Geld verdienten. Der Vorschlag der Kommission war im Rat aber chancenlos: Die Regelung wurde mit 182 zu 6 Stimmen bei 9 Enthaltungen abgelehnt.
Lineares Fernsehen «von vorgestern»
Beat Flach (GLP) stellte fest, für Junge sei lineares Fernsehen etwas von vorgestern. Sie wüssten gar nicht, mit welchen Schmerzen das früher verbunden gewesen sei, wenn man eine Folge von «Bonanza» verpasst habe. Replay-TV dürfe nicht verhindert oder eingeschränkt werden.
Andrea Gmür-Schönenberger (CVP/LU) befand, es gehe nicht an, einen Werbekonsumzwang im Gesetz zu verankern. Ausserdem sei nicht klar, um wie hohe Einbussen es gehe. Christa Markwalder (FDP/BE) stellte fest, Replay-TV entspreche einem Kundenbedürfnis.
Auch die SP-Fraktion unterstützte die Regelung nicht mehr. Min Li Marti (SP/ZH) begründete das damit, dass inzwischen im Fernmeldegesetz eine weniger weitgehende Bestimmung verankert worden sei. Diese schreibt vor, dass beim Replay-TV Änderungen an den Programmen nur mit Zustimmung des Veranstalters vorgenommen werden dürfen. Das Überspringen von Werbung ist allerdings keine Änderung. Als Änderung würde gelten, wenn die Werbung mit anderer ersetzt würde.
Höhe der Ausfälle unklar
Justizministerin Simonetta Sommaruga stellte sich ebenfalls gegen die Regelung. Das zeitversetzte Fernsehen sei beliebt, und die Öffentlichkeit würde es nicht verstehen, wenn Replay-TV nicht mehr angeboten oder teurer würde, sagte sie.
Die Ausgangslage sei unklar. Die Sendeunternehmen behaupteten, jährlich entgingen ihnen wegen Replay-TV Werbeeinnahmen von über 100 Millionen Franken. Die Kabelnetzbetreiber bestritten diese Summe. Niemand wisse, um wie viel Geld es tatsächlich gehe. Und niemand wisse, wie sich der Werbemarkt angesichts der veränderten Konsumgewohnheiten entwickle.
Weiter wies Sommaruga darauf hin, dass die Kabelvertreiber den Rechteinhabern schon heute 35 Millionen Franken bezahlten für das zeitversetzte Fernsehen. Darin eingeschlossen sei ein Beitrag für Werbeausfälle.
Konsumentenschutz dagegen
Im Vorfeld der Ratsdebatte kritisierte auch die Stiftung für Konsumentenschutz die geplante Bestimmung. Sie befürchtete, dass die Fernsehsender das Überspulen der Werbung nicht erlauben werden.
Zudem könnten die Sender Lizenzgebühren für die Replay-Erlaubnis erheben. Die Kosten würden auf die Konsumentinnen und Konsumenten abgewälzt. Davor warnte auch der Dachverband der Netzbetreiber. Die grossen TV-Sender dürften sich das Recht auf das Überspulen der Werbung fürstlich bezahlen lassen, schrieb er.
Streit um Werbezahlen
Die Interessengemeinschaft Radio und Fernsehen, zu der die SRG und Privatsender gehören, hält nichts von der Kritik. Den Netzbetreibern gehe es bloss ums eigene lukrative Geschäft, monieren sie. Sollten die Netzbetreiber wie bisher abkassieren, sei die Existenz der werbefinanzierten, frei erhältlichen TV-Programme gefährdet.
UPC und Swisscom wiederum betonen, die Werbeeinnahmen seien seit der Einführung von Replay-TV 2012 nicht gesunken. Der TV-Werbeumsatz sei gemäss Zahlen der Stiftung Werbestatistik viel mehr gestiegen. (mc/pg)