Genf – Der Uhren- und Schmuckkonzern Richemont ist im Frühjahr von Corona hart getroffen worden – erholt sich aber allmählich davon. Vor allem in China steigen die Umsätze, während sich der frühe Aufbau des Onlinegeschäfts ebenfalls auszahlt. In China wird der Onlinehändler Farfetch neu zum Partner.
Die Volksrepublik China scheint die Pandemie in den Griff zu kriegen. Das vermitteln jedenfalls die tiefen Infektionszahlen, Bilder von feiernden Menschen oder belebten Einkaufsstrassen, die Europa erreichen. Letzteres bestätigt auch der am Freitag veröffentlichte Halbjahresbericht 2020/21 des Schweizer Konzerns Richemont.
Denn in den Monaten April bis September seien die Verkäufe in China um beinahe 80 Prozent in die Höhe geklettert, während in Europa Umsatzeinbussen von über 40 Prozent und in Amerika von gut 30 Prozent resultiert hätten, teilte Richemont mit. Insgesamt brach der Gruppenumsatz um einen Viertel auf 5,48 Milliarden Euro ein.
Onlinegeschäft gewinnt an Bedeutung
Das Geschäft in China habe sich aber rasch belebt, wobei sich Cartier als wichtigste Marke im Richemont-Portfolio besonders gut vom Nachfrageschock erhole, erklärte Finanzchef Burkhart Grund an einer Telefonkonferenz. Aufgrund der Reisebeschränkungen kauften Chinesen Luxusartikel im eigenen Land anstatt wie vor Corona auf ihren Reisen etwa durch Europa ein.
Dabei hat während der Krise sowohl in China als auch im Rest der Welt das Onlinegeschäft an Gewicht gewonnen. Bei den Richemont-Marken, zu denen nebst Cartier exquisite Adressen wie Piaget, Jaeger LeCoultre oder IWC zählen, mache das Onlinegeschäft bereits 7 Prozent am Umsatz aus. Noch vor Jahren hatten die Uhrenhersteller dem Internethandel kaum Beachtung geschenkt.
Nicht so Johann Rupert, Verwaltungsratspräsident und Haupteigner von Richemont. Vor gut 20 Jahren hat er mit der Britin Natalie Massenet den Onlinehändler Net-A-Porter für Luxusmarken aufgebaut und 10 Jahre später mit dem italienischen Modehändler Yoox zusammengeführt. Daraus entstand der grosse Onlinehändler Yoox Net-a-Porter.
Kooperation mit Farfetch
Vor allem junge Chinesen fänden am Kauf luxuriöser Waren übers Internet immer mehr Gefallen, sagte Finanzchef Grund. Auf dem zuletzt gemeinsam mit dem chinesischen Internetkonzern Alibaba lancierten Verkaufsportal «Tmall Luxury Pavilion» seien bereits Produkte von gut 200 Marken aus der Mode-, Schmuck- oder Uhrenwelt erhältlich.
Und nun geht Richemont einen Schritt weiter: Gemeinsam mit Alibaba werfen die Genfer 1,1 Milliarden US-Dollar auf und kaufen sich damit einerseits beim Onlinehändler Farfetch des Portugiesen José Neves ein und investieren andererseits über ein Gemeinschaftsunternehmen Geld in den Aufbau virtueller Farfetch-Marktplätze in China.
Das Geschäftsmodell von Farfetch unterscheidet sich von anderen Onlinehändlern dadurch, dass die Website als virtueller Marktplatz funktioniert, wo kleinere Boutiquen aus der ganzen Welt ihre Waren feilbieten. Auf Luxus-Shopping-Kanälen von Alibaba ist Farfetch ein Konkurrent von Net-A-Porter.
Rupert sieht im Dreiergespann durchaus Entwicklungspotenzial. Während Alibaba und Farfetch ihre technischen Stärken beim Aufbau von Verkaufsplattformen ausspielen könnten, sei Richemont unter anderem fürs Design und die Inhalte ein gefragter Partner. «Noch ist es aber zur früh, um sagen zu können, wie genau die Kooperation aussieht», so Rupert weiter.
Aktie auf Höhenflug
An der Börse löste der Schulterschluss mit Farfetch, aber auch die über Erwarten gut ausgefallenen Halbjahreszahlen am Freitag Zukäufe aus. Die Richemont-Aktien legten am Freitag um 8,9 Prozent zu.
Richemont hat nicht nur mit dem Umsatz die Vorgaben der Analysten übertroffen, auch der Gewinn fiel mit 159 Millionen Euro besser als von vielen befürchtet aus. Einige Analysten hatten gar mit einem Verlust gerechnet.
Man habe frühzeitig eine Reihe von Massnahmen zum Schutz der Marge ergriffen, schreibt Richemont dazu. So wurde etwa weniger Geld im Verkauf, für das Marketing oder für den Vertrieb ausgegeben und man habe auch von Mieterlassen bei Shops an teuren Lagen profitiert.
Derweil hat sich laut Burkhart Grund die Erholung im Oktober fortgesetzt. Jedoch werde das Risiko weiterer Lockdowns die Branche bis mindestens nächsten Sommer in Atem halten. Eine Rückkehr zur Normalität sei erst dann möglich, wenn das Reisen rund um die Welt wieder bedenkenlos möglich sei, glaubt Johann Rupert. (awp/mc/pg)