Genf – Der Schmuck- und Uhrenkonzern Richemont setzt im Onlinegeschäft zum Befreiungsschlag an: Lange haben die Genfer nach einem Partner gesucht und nun wagen sie den Schulterschluss mit dem britischen Onlinehändler Farfetch. Das birgt Chancen bezüglich Technologie, löst aber zugleich einen grossen Abschreiber aus.
Richemont tritt gut die Hälfte ihrer noch immer defizitären Online-Tochter Yoox-Net-A-Porter (YNAP) an Farfetch und den arabischen Investor Mohamed Alabbar als «Junior-Partner» ab, wie der Konzern am Mittwoch bekanntgab. Für den 47,5 Prozent schweren YNAP-Anteil, der an Farfetch geht, beteiligt sich Richemont mit bis zu 13 Prozent an den Briten.
«Das Ziel ist es, eine für die gesamte Luxusbranche unabhängige Online-Plattform aufzubauen», sagte Richemont-Präsident und -Mehrheitseigner Johann Rupert an einer Telefonkonferenz. «Damit geht ein Traum in Erfüllung, den ich schon vor über sieben Jahren geäussert habe.» Für diesen Traum liessen sich aber offenbar keine anderen grossen Luxusgüterkonzerne begeistern.
Kritik an Online-Abenteuer
Der Weg zu einer global aufgestellten Luxusgüterplattform war für Richemont lang und beschwerlich. Rupert erkannte im Vergleich zu Konkurrenten früh, dass teure Uhren und Schmuck auch übers Internet verkauft werden können und stieg vor zwanzig Jahren beim britischen Portal Net-A-Porter ein, das er 2015 mit der italienischen Yoox-Gruppe verschmolz.
Auf den YNAP-Portalen sind nicht nur Richemont-Häuser wie Cartier, Piaget oder IWC, sondern auch unabhängige Marken vor allem aus dem Mode- und Accessoires-Bereich vertreten. Produkte von Branchengrössen wie LVMH, Kering oder Swatch Group fehlen aber zumeist.
Trotz weiterer teurer Investitionen schreibt YNAP noch heute Verluste, was für Kritik sorgt. An der Generalversammlung vom 7. September schickt der aktivistische Investor Bluebell Capital deshalb auch den früheren Bulgari-Chef Francesco Trapani in der Kampfwahl um einen Sitz im Verwaltungsrat ins Rennen.
Milliardenhoher Abschreiber
Beim Deal mit Farfetch geht es Richemont nicht nur darum, das Angebot im Internet breiter aufzustellen. Vielmehr erhalten die «Maisons» Zugang sowohl zu der «hochentwickelten» Technologie der Briten als auch der eher jüngeren Farfetch-Kundschaft, wie auch Gründer und Farfetch-Chef José Neves betonte.
Diese Vorzüge sind nicht billig zu haben. In einem ersten Schritt beteiligt sich Farfetch fast zur Hälfte an YNAP und hat bis in fünf Jahren die Option, auch die restlichen Anteile zu sichern. Richemont stattet YNAP mit 290 Millionen US-Dollar an Barmittel aus und gewährt für zehn Jahre eine Kreditfazilität von 450 Millionen Dollar.
Nach fünf Jahren Partnerschaft winkt Richemont zwar eine Zahlung im Umfang von 250 Millionen Dollar, voraussichtlich in Farfetch-Aktien. Viel gewichtiger ist allerdings die 2,7 Milliarden Euro-schwere Wertberichtigung, die Richemont bereits heute auf den über die Jahre bilanzierten YNAP-Investitionen (Goodwill) vornimmt.
Trotz hoher Wertberichtigungen begrüssen Analysten, dass Richemont für das «Online-Problem» endlich eine Lösung gefunden hat. Das goutieren auch die Anleger und so gewinnt die Richemont-Aktie zum Börsenschluss 3,55 Prozent dazu.
Richemont hält an Nicht-Empfehlung von Trapani fest
Weiter teilte Richemont am Mittwoch mit, dass sie sich hinsichtlich der am 7. September stattfindenden Generalversammlung weiterhin gegen die Forderungen des aktivistischen Aktionärs Bluebell Capital stellt. Richemont empfiehlt den Haltern der breit gestreuten A-Aktien nach wie vor, gegen die Wahl des Bluebell-Kandidaten und ehemaligen Bulgari-Chefs Francesco Trapani zu stimmen. Mit dem Communiqué reagiert Richemont auf ein Schreiben von Bluebell. Darin hatte sich der Investor dagegen gewehrt, dass Richemont zur Kampfwahl zwischen Trapani und der vom Konzern vorgeschlagenen Wendy Luhabe Empfehlungen an die A-Aktionäre abgibt. (awp/mc/pg)