Winterthur – Der Spinnereimaschinenhersteller Rieter hat die Übernahme von drei Teilbereichen von Saurer angekündigt. Die Transaktion ist für Rieter strategisch wichtig und wird den Konzern deutlich grösser machen. Gleichzeitig halst sich Rieter aber Rechtshändel auf.
Den beiden eigenen Verwaltungsräten Luc Tack und Stefaan Haspeslagh wirft Rieter im Zusammenhang mit der Teilakquisition von Saurer «schwerwiegende Verletzungen der gesetzlichen Treuepflicht, der Pflicht zur Wahrung von Geschäftsgeheimnissen sowie des Code of Conduct» vor. Sie hätten verwaltungsratsinterne Informationen dazu benutzt, um eine eigene Offerte zu lancieren und so die von Rieter geführten Verhandlungen zu konkurrieren.
Rieter reagiert entsprechend resolut. Eine ausserordentliche Generalversammlung soll nun über deren Rausschmiss aus dem Führungsgremium von Rieter befinden. Ausserdem wird Rieter Strafanzeige gegen die beiden Verwaltungsräte einreichen. Rieter sieht das Vertrauensverhältnis als nachhaltig gestört und eine künftige Zusammenarbeit nicht mehr als möglich an.
Tack ist zweitgrösster Aktionär
Luc Tack ist seit 2017 Verwaltungsrat von Rieter und mit einem Anteil von zuletzt gemeldeten knapp 12 Prozent der zweitgrösste Aktionär von Rieter. Erst im März dieses Jahres hatte Michael Pieper sein Aktienpaket von 11,5 Prozent an die belgische Picanol Group verkauft, deren Mehrheitsaktionär und CEO Luc Tack ist. Haspeslagh wurde erst an der letzten GV in den Verwaltungsrat gewählt.
Laut CEO Norbert Klapper sind die beiden Verwaltungsräte bei den Verhandlungen zur Akquisition von Teilen von Saurer auf eigenen Wunsch in den Ausstand getreten, wie er an einer Telefonkonferenz erklärte. Nun, da die Übernahmeverhandlungen abgeschlossen seien, seien sie aber wieder Mitglieder des Gremiums, so wie es den rechtlichen Bestimmungen in der Schweiz entspreche.
Auf die Frage, ob er angesichts eines Anteils von Luc Tack an Rieter von über 10 Prozent mit Schwierigkeiten rechne, ihn aus dem Verwaltungsrat abwählen zu lassen, erklärte Klapper: «Über die Positionen der Hauptaktionäre kann ich nicht spekulieren.» Ausschlaggebend wird dabei Peter Spuhler sein, der über seine PCS Holding zuletzt einen Anteil von gut 22 Prozent gemeldet hatte.
Automatische Spulmaschinen als wichtige technologische Ergänzung
Zu den drei Teilbereichen von Saurer kommt Rieter, weil die beiden deutschen Tochtergesellschaften von Saurer Netherlands, Saurer Spinning Solutions und Saurer Technologies, Insolvenz angemeldet hatten.
Den grössten Umsatz kauft Rieter dabei mit den automatischen Spulmaschinen von Schlafhorst hinzu. Diese sollen das Angebot an Ring- und Kompaktspinnsystemen vervollständigen. Klapper bezeichnet dies als wichtiges Marktsegment innerhalb des Textilmaschinenbereichs und verspricht sich auch Synergien mit dem Teilgeschäft Rieter Systems. Die beiden kleineren Teilakquisitionen, Accotex und Temco, ergänzen das Komponentengeschäft. Laut dem CEO passen diese «perfekt» zum bisherigen Geschäft von Rieter.
Insgesamt erwirtschafteten die drei Geschäfte im Covid-Jahr 2020 einen Umsatz von 142 Millionen Euro. 2018 belief sich der Gesamtumsatz allerdings noch auf 260 Millionen Euro bei einer operativen Gewinnmarge von rund 9 Prozent. Rieter bezahlt dafür 300 Millionen Euro ohne flüssige Mittel und Schulden. Der Kaufpreis wird aus dem Barbestand sowie aus bestehenden Kreditlinien finanziert. Der Abschluss der Transaktion soll noch im August erfolgen.
«Rieter wird durch diese Akquisitionen beim Umsatz und beim Gewinn um über 25 Prozent wachsen», führte Klapper aus. Als Vergleichsgrösse relevant seien dabei die Zahlen der Unternehmen von 2018. Finanzchef Kurt Ledermann wollte für das Gesamtjahr 2021 keine aktualisierte Prognose hinsichtlich des Umsatzes oder des Gewinns abgeben.
Aktie gibt nach
Die Aktien von Rieter gaben am Montag in einem schwachen Gesamtmarkt 1,1% auf 232.00 Franken nach. (awp/mc/pg)