Erwin Stoller, Executive Chairman Rieter AG.
Winterthur – Der Textilmaschinenkonzern Rieter hat im ersten Halbjahr 2011 den Umsatz gegenüber dem schwachen Vorjahr massiv gesteigert. Dafür gingen die Bestellungen im Vergleich zum sehr starken Vorjahr bereits wieder etwas zurück und für das zweite Semester erwartet das Unternehmen hier einen weiteren Rückgang. Auf hohem Niveau befindet sich die Profitabilität.
Erstmals nach der im Frühjahr erfolgten Abspaltung des Automotive-Bereichs legte Rieter Zahlen vor, welche sich nur auf das Textilgeschäft beziehen. Insofern sind die aktuellen mit den Vorjahreszahlen teilweise nur bedingt vergleichbar, entsprechend waren auch die Schätzungen der Analysten relativ breit gestreut.
Umsatz steigt auf 537,8 Mio. Franken
Der Umsatz kletterte gegenüber dem Vorjahr um 66% auf 537,8 Mio CHF (Lokalwährungen +73%), wogegen der Bestellungseingang um 9% auf 671,3 Mio CHF (LW -5%) zurückfiel. Der Basiseffekt aus dem Vorjahr ist indes für die beiden Ziffern sehr unterschiedlich: Im Anschluss an die Krise lagen die Umsätze im ersten Semester noch sehr tief, wogegen die Bestellungen bereits wieder ein hohes Niveau erreicht hatten.
EBIT-Marge auf 12,8 % verbessert
Auf operativer Stufe ergab sich ein Gewinn von 70,6 Mio CHF, nachdem der EBIT im Vorjahr mit 2,0 Mio nur knapp positiv war. Die EBIT-Marge verbesserte sich auf 12,8% nach 0,6% im Vorjahr markant. Allerdings hatte die Marge im zweiten Semester 2010 bereits bei 13,9% gelegen. Rieter strebt für diesen Wert über die Zyklen einen Wert von über 9% und in Spitzenjahren von über 12% an. Der Reingewinn erreichte 91,0 Mio CHF, nach 7,5 Mio im Vorjahreszeitraum. Begünstigt wurde dieser durch einen Veräusserungsgewinn von 42,3 Mio aus der Reduktion des Anteils an Lakshmi Machine Works.
Hinter den Erwartungen zurück
Damit hat Rieter die Erwartungen der Analysten verfehlt, einzig der Reingewinn unter Ausklammerung des Sondereffekts lag im Rahmen der Erwartungen. Der AWP-Konsens für den Umsatz lag bei 619,5 Mio CHF, für den Auftragseingang bei 699,0 Mio, für den EBIT bei 76,9 Mio und für den Reingewinn bei 49,0 Mio.
Entwicklung im Semester «erfreulich»
Rieter bezeichnet den Geschäftsgang im ersten Semester als «erfreulich». Die positive Entwicklung des Jahres 2010 habe sich fortgesetzt, insbesondere im ersten Quartal, heisst es. Im zweiten Quartal sei indes eine leichte Abflachung zu verzeichnen gewesen. Die erwartete weitere Senkung der Baumwoll- und damit einhergehend der Garnpreise habe den Druck auf die Margen und die Liquidität der Spinnereien erhöht.
Grösste Bestellmengen in Indien, China und der Türkei
Beide Business Groups von Rieter, Spun Yarns Systems (SYS) und Premium Textile Components (PTC) seien gut nachgefragt und die Nachfrage regional breit abgestützt gewesen. Die grössten Bestellmengen seien in Indien, Türkei und China erzielt worden, aber auch in weiteren asiatischen Märkten wie Südkorea, Indonesien und Pakistan sei die Nachfrage hoch geblieben. Weiter hätten Spinnereien in den USA, in Brasilien und Ägypten in Stapelfasermaschinen und Komponenten von Rieter investiert.
Produktionskapazitäten bis an die Grenzen ausgelastet
Der bereits hohe Bestellungsbestand zu Jahresbeginn habe dank dem guten Auftragseingang weiter zugenommen. So seien die Produktionskapazitäten bis an die Grenzen ausgelastet gewesen und teilweise lange Lieferzeiten entstanden.
Langfristige Finanzierung sichergestellt
Die Bilanz bezeichnet Rieter als solide, auch nach der Verselbständigung des Bereichs Automotive durch Ausschüttung einer Sonderdividende. Das Eigenkapital lag per Ende Juni bei 360,4 Mio CHF, die EK-Quote bei 32%. Mit flüssigen Mitteln von 417,9 Mio und einer Nettoliquidität von 149,8 Mio sei die strategische Flexibilität und die langfristige Finanzierung weiterhin sichergestellt.
Rückläufiger Auftragseingang erwartet
Zum Ausblick auf das Gesamtjahr 2011 schreibt Rieter, es sei mit einer deutlichen Steigerung des Umsatzes zu rechnen sowie mit einer Erhöhung der operativen Marge in den zweistelligen Bereich. Der Bestellungseingang dürfte sich im zweiten Semester gegenüber dem ersten aber weiter abschwächen und im Gesamtjahr «voraussichtlich den hohen Wert des Vorjahres nicht erreichen». Im zweiten Semester dürfte auch der Druck auf die Margen und die Liquidität bei den Kunden vorläufig anhalten.
Viele Unbekannte
Derzeit sei nicht absehbar, ob die Marktirritationen von kürzerer Dauer sind oder sich über einen längeren Zeitraum erstrecken würden. Die weitere Entwicklung sei von den Währungen, der Konsumentenstimmung in Europa und Nordamerika, dem Wachstum des Faserverbrauchs in Asien sowie von den Rohmaterialpreisen abhängig. Der hohe Bestellungsbestand sichere aber die Auslastung und den Umsatz des laufenden Jahres und reiche weit bis ins Geschäftsjahr 2012. (awp/mc/pg)