Winterthur – Der Spinnereimaschinen-Hersteller Rieter hat 2016 zwar ein deutlich höheres Auftragsvolumen verbucht als im Vorjahr, gegen Ende des Jahres geriet der Aufschwung jedoch ins Stocken. Eine Prognose zur Entwicklung im laufenden Jahr wagt das Management nicht. Es plant ausserdem eine grosse Umstrukturierung am Standort Ingolstadt. An der Börse haben die Pessimisten Oberwasser.
Auf den ersten Blick sieht die Entwicklung des Auftragseingangs sehr gut aus. Dieser nahm im letzten Jahr um 13% auf 905,2 Mio CHF zu. Auf den zweiten Blick zeigt sich jedoch, dass das Geschäft in der ersten Hälfte des Jahres deutlich besser lief als gegen Jahresende. Im vierten Quartal lag der Bestellungseingang zum Beispiel unter jenem des Vorjahres.
Das Management begründete die Abschwächung im zweiten Semester mit «zunehmenden politischen Unwägbarkeiten in den Hauptmärkten Türkei und Indien». Dies habe das wichtige Neumaschinengeschäft belastet. Analysten hatten im Vorfeld deutlich bessere Zahlen erwartet und zeigten sich entsprechend enttäuscht. Eine Folge des mässigen Auftragseingangs im zweiten Semester war, dass der Auftragsbestand am Ende des Jahres trotz des grösseren Auftragsvolumens mit rund 440 Mio CHF unter jenem des Vorjahres (470 Mio) lag.
Vieles ist offen
Ob sich die rückläufige Entwicklung beim Bestellungseingang fortsetzen werde, sagte das Management am Mittwoch nicht. «Die Visibilität bleibt gering», erklärte CEO Norbert Klapper. Mit Kunden aus der Türkei zum Beispiel gebe es zwar eine gute Projektpipeline. Es sei jedoch völlig offen, wann diese Projekte zu Bestellungen würden.
Auch in Indien sei die Situation nach wie vor ungewiss. Und in China und Südostasien sei wegen der neuen US-Regierung eine abwartende Haltung spürbar. «Unser Kunden warten ab, was die Politiker machen», so Klapper.
Umsatz im Zielbereich
Der Umsatz nahm derweil im Gesamtjahr um 9% auf 945,0 Mio CHF ab. Damit wurden die eigenen Prognosen und die durchschnittlichen Analystenschätzungen leicht übertroffen.
Bei der Betrachtung nach einzelnen Märkten stachen Amerika (-57%), Europa (-32%), die Türkei (-17%) und «Übriges Asien» (-12%) negativ, China (+33%) und Indien (+28%) positiv ins Auge.
Mit den Umsatz- und Bestellungszahlen gab Rieter einen Ausblick auf die Gewinnentwicklung, wobei frühere Prognosen präzisiert wurden. Neu wird eine EBIT-Marge von 6% (bisher: 5-6%) und eine Reingewinn-Marge von 4,5% (bisher: rund 3,5-4,5%) in Aussicht gestellt. Dies ergibt für den EBIT einen Wert von knapp 57 Mio CHF (VJ 73 Mio) und für den Reingewinn von knapp 43 Mio (50 Mio). Die genauen Zahlen werden am 14. März publiziert.
Restrukturierung in Ingolstadt
Ausserdem gab Rieter eine massive Umstrukturierung in Deutschland bekannt. Demnach soll sich der Standort Ingolstadt künftig auf die Entwicklung von Maschinen und das After-Sales-Geschäfts fokussieren. Die Produktion soll hingegen an den Rieter-Standort Usti in Tschechien verlagert werden. «Wir profitieren vom dortigen tieferen Kostenniveau», sagte Klapper.
Dadurch würden voraussichtlich 220 der 360 Stellen in Ingolstadt wegfallen, hiess es weiter. In Usti sollen im Gegenzug rund 200 Stellen geschaffen werden, wie eine Firmensprecherin gegenüber der Nachrichtenagentur sda sagte.
Das Management erhofft sich nach Abschluss der Massnahmen ab 2019 eine Kosteneinsparung von 15 bis 20 Mio. Über die nächsten zwei Jahre werde jedoch zunächst «ein mittlerer zweistelliger Millionenbetrag an Einmalaufwendungen» notwendig sein.
Analysten lobten in ersten Kommentaren zwar die Entwicklung der Profitabilität, setzen aber einige Fragezeichen hinter den Auftragseingang. Von der Produktionsverlagerung von Deutschland nach Tschechien erhoffen sich einige Experten, dass dadurch der Break-even-Punkt markant sinken wird. (awp/mc/pg)