Zürich – Das Westschweizer Wochenmagazin «L’Hebdo» wird 36 Jahre nach seiner Gründung eingestellt. 37 Mitarbeitende in Redaktion und Verlag verlieren die Stelle. Die Schliessung des Nachrichtenmagazins ist ein weiterer Schlag für die Westschweizer Presse.
Das 1981 gegründete Nachrichtenmagazin «L’Hebdo» wird am 2. Februar zum letzten Mal erscheinen. Der Verlag Ringier Axel Springer Schweiz begründete die Einstellung der meistgelesenen Zeitschrift der Westschweiz mit konstant rückläufigen Anzeigen- und Verkaufserlösen bei gleichzeitig schlechten wirtschaftlichen Perspektiven.
Die Auflage und die Leserzahlen erodierten seit mehreren Jahren. Laut den WEMF-Zahlen erzielte das Magazin 2016 noch eine Auflage von 33’706 verkauften Exemplaren und eine Reichweite von 156’000 Leserinnen und Lesern, verglichen mit 36’935 verkauften Exemplaren und einer Reichweite von 172’000 Leserinnen und Lesern im Vorjahr.
Werbemarkt eingebrochen
Nach Angaben von Ralph Büchi, Verwaltungsratsdelegierter Ringier Axel Springer Schweiz, wies «L’Hebdo» seit 2002 ein negatives operatives Ergebnis (EBITDA) aus und büsste allein in den letzten vier Jahren mehr als die Hälfte des Werbemarktes ein.
Die Einstellung des Nachrichtenmagazins führt zu einem Stellenabbau im gemeinsam von «L’Hebdo» und der Tageszeitung «Le Temps» geführten Newsroom sowie im Verlag in Lausanne, von dem 37 Mitarbeitende betroffen sind. Es werde geprüft, wie weit ein Teil des Stellenabbaus über Frühpensionierungen und interne Aufgabenverschiebungen aufgefangen werden könnte, hiess es.
Für die betroffenen Mitarbeitenden soll ein flankierender Massnahmenplan zur Anwendung kommen, der sich nach dem bestehenden Sozialplan von Ringier richtet. Das Konsultationsverfahren wurde am Montag eingeleitet.
Investitionen in «Le Temps»
Die frei werdenden Mittel sollen in den Ausbau der ebenfalls zu Ringier gehörenden Tageszeitung «Le Temps» investiert werden. Ringier hatte diese einzige überregionale Westschweizer Tageszeitung im April 2014 vollständig übernommen, nachdem das Verlagshaus Tamedia seinen Anteil abgestossen hatte.
Im März 2015 wurde die Redaktion von «Le Temps» um zehn Redaktoren respektive 8,8 Vollzeitstellen verkleinert. Ringier Axel Springer Schweiz glaubt nach wie vor an die Zeitung. «Le Temps» sei aufgrund ihrer starken digitalen Präsenz und dem 2011 erfolgreich eingeführten Online-Abonnementmodell die führende Qualitäts-Tageszeitung der Westschweiz.
Unter anderem will «Le Temps» in neue Geschäfte investieren. So wird etwa das regionale Konferenzgeschäft verstärkt und die Dialogplattform «Forum der 100» weiter ausgebaut. Zusätzlich lanciert «Le Temps» am 18. Februar 2017 die neue Samstagsbeilage «T», die das Wochenend-Angebot für die Leserschaft und die Werbekunden erweitern soll.
Ringier Axel Springer beschäftigt aktuell in der Romandie 212 fest angestellte Mitarbeitende. Die Mitarbeitenden von L’illustré», «TV8», «Boléro» und «PME Magazine» sind laut der Mitteilung von der Einstellung von «L’Hebdo» nicht betroffen.
Wut und Konsternation
Der Journalistenverband impressum zeigte sich konsterniert und wütend über die Einstellung des Westschweizer Wochenmagazins «L’Hebdo». Es sei eine Schande, dass ein so grosses Medienhaus wie Ringier Axel Springer 37 Personen auf die Strasse stelle. Der Verband appelliert an die soziale Verantwortung des Unternehmens und verlangt, dass alle Alternativen geprüft würden, um Entlassungen zu verhindern. Ringier Axel Springer Schweiz müsse in einen Dialog treten mit der Politik und der Zivilgesellschaft, schreibt impressum in einer Mitteilung. Das Verschwinden von «L’Hebdo» stellt aus Sicht des Verbandes ein unermesslicher Verlust für die Vielfalt und Qualität der Medienlandschaft in der Romandie dar.
Schwerer Schlag für Pressevielfalt in der Romandie
Die Mediengewerkschaft syndicom sprach von einem weiteren schweren Schlag für die Westschweizer Presse. Sie zeigte sich beunruhigt über die Folgen für die Medienvielfalt, den investigativen Journalismus und die Zukunft der Medien in der Romandie. Syndicom erinnerte daran, dass Ende 2016 bereits Entlassungen bei der «Tribune de Genève» und «24 Heures» der Tamedia-Gruppe vorgenommen worden seien. Die Gewerkschaft für Medien und Kommunikation bedauerte, dass die beiden Deutschschweizer Medienkonzerne auf diese Weise über Sein und Nichtsein wichtiger Titel der Westschweizer Presse entscheiden könnten.
Auch die Waadtländer Regierung und die Stadt Lausanne bedauerten den erneuten schweren Schlag für die Westschweizer Presse nach den Restrukturierungen bei der «Tribune de Genève» und «24 Heures». Der Waadtländer Regierungsrat verlangte eine Zusammenkunft mit der Ringier-Konzernleitung, um Alternativen zu diskutieren.
In den sozialen Medien gab es zahlreiche betroffene Kommentare und Solidaritätsbekundungen von Politikerinnen und Politikern: Die höchste Ehrerbietung an das Magazin und seine Macherinnen und Macher kam von Bundesrat Alain Berset. Er twitterte: «Wenn man wie ich mit ‹L’Hebdo› aufgewachsen ist, ist es schwierig, sich sein Verschwinden vorzustellen.» (awp/mc/pg)