Ringier muss Spiess-Hegglin für Artikel über 320’000 Franken zahlen

Ringier muss Spiess-Hegglin für Artikel über 320’000 Franken zahlen
Markenauftritt des «Blick». (Foto: Brandpulse)

Zug – Das Kantonsgericht Zug hat entschieden, dass Ringier der ehemaligen Zuger Kantonsrätin Jolanda Spiess-Hegglin wegen vier persönlichkeitsverletzenden Artikel 309’531 Franken plus Zinsen in der Höhe von fünf Prozent zahlen muss. Das Gericht folgte den Berechnungen der Klägerin zu grossen Teilen. Ringier kündigte an, das Urteil anzufechten.

Das Medienhaus Ringier muss gemäss dem Urteil Jolanda Spiess-Hegglin auch eine Entschädigung von 112’495 Franken zahlen. Die Anwältin von Spiess-Hegglin hatte einen Gewinn von 431’000 Franken plus Zinsen geltend gemacht.

Jolanda Spiess-Hegglin und Ringier sahen sich nicht zum ersten Mal vor Gericht. 2022 stellte das Kantonsgericht Zug fest, dass der «Blick» mit vier Artikeln, die gedruckt im «Blick» und online veröffentlicht wurden, die Persönlichkeit von Spiess-Hegglin verletzt habe. Ringier müsse den erzielten Gewinn herausgeben.

Dagegen wehrte sich das Medienhaus. Dessen Anwalt argumentierte in der Verhandlung vor dem Kantonsgericht Ende Oktober 2024 mit «formellen» und «inhaltlichen» Gründen. Die Forderung sei «verjährt», die Gewinnberechnungen «realitätsfremd».

«Nachvollziehbar und überzeugend»
Im nun am Montag publizierten, 57 Seiten umfassenden Urteil, das der Nachrichtenagentur Keystone-SDA vorliegt, wird der Klägerin attestiert, ihre angewendeten Kriterien und Überlegungen bei den Gewinnberechnungen seien «grundsätzlich nachvollziehbar» und «überzeugend». Die Gewichtung der Klägerin sei «jedoch um mehrere Rechnungsfehler zu korrigieren».

Weiter ist zu lesen, dass der Geschäftsführer, der die Höhe seiner Gewinne bestreitet, Detailzahlen vorlegen müsse und sich «nicht mit pauschalem Bestreiten begnügen» könne.

Im Urteil wird detailliert aufgelistet, welche Bruttogewinne die einzelnen vier Artikel erzielt haben könnten. So hat einer der Artikel einen Online-Werbeerlös von 68’542 Franken erzielt, aus dem Print resultierte ein Werbeerlös von 33’688 Franken. Gesamthaft mit dem Erlös aus dem Einzelverkauf und dem Erlös aus dem Abo ergibt sich laut dem Urteil ein Bruttogewinn von 122’097 Franken.

Das Gericht hält im Urteil weiter fest, es sei ausgeschlossen, auf den Franken genau zu eruieren, welche Personal- und Redaktionskosten mit der Publikation der einzelnen vier Artikel angefallen seien. Das sei aufgrund der vorliegenden Datenlage «unmöglich.»

«Sehr zuverlässige Faktenchecker»
In einer Stellungnahme sagte Spiess-Hegglin der Nachrichtenagentur Keystone-SDA, sie sei sehr glücklich, dass das Gericht der Argumentation und den Herleitungen ihrer Gutachter gefolgt sei. «Es stellt sich heraus, dass in einer Auseinandersetzung mit der Medienbranche die Schweizer Gerichte die einzigen, aber sehr zuverlässigen Faktenchecker sind», sagte Spiess-Hegglin.

Ringier hat derweil in einer Stellungnahme angekündigt, das Urteil anzufechten. Die Höhe des zugesprochenen Gewinn stehe in keinem Verhältnis zum effektiv erzielten Gewinn, den Ringier dem Gericht im Detail offengelegt und mit einem Gutachten belegt habe, schreibt das Medienhaus.

CEO sieht Medienfreiheit gefährdet
Ladina Heimgartner, CEO der Ringier Medien Schweiz, sagte in einer schriftlichen Stellungnahme unter dem Titel «Ein fataler Schlag für den freien Journalismus», dieser harte Boulevardstil werde heute beim Blick «längst nicht mehr praktiziert.» Und das sei gut so. Die damalige Berichterstattung zähle nicht zu den «publizistischen Sternstunden» der Zeitung. Nichtsdestotrotz gefährde dieses Urteil die Medienfreiheit in der Schweiz. Journalistinnen und Journalisten würden unter diesen Vorzeichen das «Risiko» einer personenbezogenen Berichterstattung kaum mehr eingehen wollen.

Unterstützung erhält Ringier vom Verlegerverband Schweizer Medien (VSM), der Branchenorganisation der privaten schweizerischen Medienunternehmen.

Gewinnherausgaben in dieser Höhe seien eine Gefahr für die Medienfreiheit, schrieb der Verband in einem Communiqué vom Montag. Es sei unmöglich, mit einzelnen Artikeln einen derartigen Gewinn zu erzielen. Zudem sei das Urteil «brandgefährlich für die Medienfreiheit», weil es einfacher werde, den Verlagen Klagen anzudrohen und sie so von Recherchen abzuhalten, so der VSM.

Zum Verfahren vor dem Zuger Kantonsgericht kam es durch die Berichterstattung des «Blick» über die Zuger Landammannfeier von 2014. Spiess-Hegglin nahm am Anlass teil, wo es zu später Stunde zu einem intimen Kontakt kam. (awp/mc/pg)

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