Roche-CEO Severin Schwan.
Frankfurt am Main – Beim Pharmakonzern Roche sollen neue Medikamente mit einem erhofften Umsatzpotenzial in Milliardenhöhe ab 2013 wieder für einen kräftigen Wachstumsschub sorgen. «Wir gehen derzeit durch eine Phase, in der wir in der Pharmasparte ein gedämpftes Wachstum sehen», sagte Konzernchef Severin Schwan am Freitag im Gespräch mit Nachrichtenagenturen bei der Vorlage der Neunmonateszahlen für das Deutschlandgeschäft.
«2010 hat Roche einige Rückschläge verbucht, aber im laufenden Jahr sind zahlreiche vielversprechende Studien veröffentlicht worden.» Im kommenden Jahr befinde sich Roche noch in einer Übergangsphase. 2013 soll dann das Umsatzwachstum wieder Fahrt aufnehmen, sagte Schwan. Eine konkrete Prognose für 2012 nannte er nicht. Roche werde sich aber sowohl in Europa wie auch in den USA, in Lateinamerika und Asien mit dem Markt entwickeln. In Europa dürfte der Pharmamarkt im kommenden Jahr wahrscheinlich schrumpfen, während die Entwicklung in den USA relativ stabil bleiben sollte. Dynamisches Wachstum erwartet Schwan in Lateinamerika und Asien.
Klare Absage an Aufspaltung
Roche hat vor einer Woche als erstes Unternehmen der Pharmabranche seinen Zahlen für das dritte Quartal veröffentlicht und die Märkte mit einem Umsatzrückgang enttäuscht. Für das Gesamtjahr rechnet der Novartis-Konkurrent in seinem Pharmageschäft mit einem Wachstum im Gleichklang mit dem Pharmamarkt. Vor Jahren waren die Schweizer noch deutlich stärker als der Markt gewachsen. Einer Aufspaltung, wie sie der US-Konzern Abbott Mitte der Woche bekanntgegeben hat, hat Roche-Chef Schwan eine klare Absage erteilt. Der amerikanische Pharmariese trennt seine Medizintechnik mit dem Generika-Geschäft vom Pharma- und Biotech-Geschäft ab und verspricht sich davon ein schnelleres Wachstum.
Zelboraf mit Blockbuster-Potenzial
Neue Mittel in der Entwicklung wie Pertuzumab zur Behandlung von Brustkrebs oder auch das bereits in den USA zugelassene Zelboraf gegen Hautkrebs sollen bei Roche in den kommenden Jahren für mehr Dynamik sorgen. Zelboraf, dessen Zulassung die Basler Anfang 2012 in Deutschland erwarten, könnte dem Konzern nach Analystenschätzungen eine Milliarde Franken pro Jahr einbringen. Einen sogenannten Blockbuster-Umsatz, also einen Erlös von einer Milliarde oder mehr – verspricht sich Schwan von dem in der späten klinischen Entwicklung befindlichen Multiple-Sklerose Mittel Ocrelizumab. Das Mittel wird bei Zulassung unter anderem mit Tysabri von Biogen Idec oder auch mit Betaferson von Bayer konkurrieren.
Pharmaumsatz in Deutschland rückläufig
In Deutschland hat der gesetzliche Zwangsrabatt den Pharma- und Diagnostikakonzern in seinem Arzneimittelgeschäft während der ersten neun Monate belastet. Während der Gesamtumsatz hierzulande von Januar bis September um rund drei Prozent auf 3,75 Milliarden Euro stieg, gab der Pharmaumsatz trotz gestiegener Nachfrage um sieben Prozent nach. Die 16 Prozent Zwangsrabatt hätten das Wachstum signifikant gebremst. Ungeachtet des Umsatzrückgangs konnten die Schweizer ihre Stellung im deutschen Pharmamarkt ausbauen. Roche ist in Deutschland die Nummer vier im Markt. In der Krebsmedizin ist Roche mit einem Anteil von 30 Prozent Marktführer. In seiner kleineren Diagnostika-Sparte konkurriert der Konzern mit Unternehmen wie Siemens , Bayer und Abbott.
«Grundlage für höheren Zwangsrabatt nicht mehr gegeben»
Schwan ist davon überzeugt, dass die Grundlage für den von sechs auf 16 Prozent angehobenen Zwangsrabatt nicht mehr gegeben ist. Als die Erhöhung zusammen mit dem Preismoratorium beschlossen wurde, sei die Bundesregierung von einem drohenden Defizit der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) von 11 Mrd Euro ausgegangen. Nach derzeitigen Schätzungen werde mit einem Plus von 8,6 Milliarden Euro gerechnet. Zur Eindämmung der Ausgaben für Arzneimittel hatte Deutschland im Sommer 2010 einen deutlich erhöhten Zwangsrabatt von sechs auf 16 Prozent und ein Preismoratorium beschlossen.
Preise in Deutschland mit «massiver Signalwirkung»
Die Preise in Deutschland gelten als Referenzpreise für andere europäische Länder. Die Preisgestaltung in Deutschland hat daher nach Schwans Worten eine ‹massive Signalwirkung›. Die Preise für Arzneimittel in 80 Ländern hingen direkt oder indirekt mit den deutschen Preisen für neue Medikamente zusammen. In der Branche werde derzeit überlegt, ob neue Medikamente bei einer Zulassung in Europa nun nicht zuerst in anderen europäischen Ländern auf den Markt gebracht werden und danach erst in Deutschland. (awp/mc/ps)