Roche erleidet in Alzheimer-Forschung weiteren Rückschlag – Aktie gibt deutlich nach

Roche erleidet in Alzheimer-Forschung weiteren Rückschlag – Aktie gibt deutlich nach
(Bild: Roche)

Basel – Der Pharmakonzern Roche muss einen weiteren Rückschlag in der Alzheimer-Forschung einstecken. Dieses Mal verfehlte der Kandidat Gantenerumab die Ziele, weil er die Krankheit nicht verlangsamt.

Es ist nicht der erste Rückschlag für den Pharmakonzern. Vielmehr ist die Forschungspipeline über die vergangenen Jahre gepflastert mit verfehlten Studienzielen. In der aktuellen Studie wurde nicht nur das Ziel verfehlt, die Krankheit zu verlangsamen. Auch der Grad der Beta-Amyloid-Entfernung, der für Alzheimer typischen Ablagerungen im Hirn, sei geringer als erwartet ausgefallen, teilte Roche am Montag mit.

«Das ist vor allem eine Enttäuschung für die Alzheimer-Forschung – und die Patienten», erklärt Vontobel-Analyst Stefan Schneider im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AWP. «Das Deprimierende an diesen Ergebnissen ist, dass man nun weiterhin überdenken muss, ob diese Beta-Amyloid-Theorie wirklich Hand und Fuss hat.»

Zur Erklärung: Eines der grössten Probleme mit der Alzheimer-Krankheit ist, dass die genaue Ursache der Erkrankung noch immer unbekannt ist. Allerdings weiss man immer mehr über die biologischen Prozesse im Zusammenhang mit der Krankheit, über die Entzündungen im Gehirn oder die Bildung von sogenannten Tangles (fadenartige Bündel) oder Plaques (Ablagerungen).

Konzerne wie Roche oder auch Eli Lilly oder Biogen/Eisai setzen mit ihren Kandidaten auf Eiweissablagerungen, die sogenannten Amyloid-Beta-Plaques. Sie sollen für das Absterben von Nervenzellen verantwortlich sein, indem sie die Kommunikation der Nervenzellen und ihre Versorgung behindern.

Überraschender Forschungserfolg
Erst im September hatten die beiden Konzerne Biogen und Eisai Daten aus einer Studie mit diesem Ansatz veröffentlicht, in dem sie das Fortschreiten der Krankheit verlangsamen konnten – und zwar so sehr, dass die Daten als statistisch signifikant eingestuft wurden.

Die Industrie verfolgt diesen Forschungsansatz seit etwa 30 Jahren, aber es konnte noch nie bewiesen werden, dass die Plaques Alzheimer verursachen – und nicht umgekehrt.

Für den Octavian-Analysten Michael Nawrath sieht das Bild daher auch etwas anders aus: «An sich sind die heutigen Roche-Daten genau im Rahmen dessen, was wir seit Jahrzehnten gesehen haben.» Namhafte Konzerne wie Pfizer oder Merck hätten ihn verfolgt, seien gescheitert und hätten sich am Ende aus der Alzheimer-Forschung verabschiedet. «Vielmehr stellt der Forschungserfolg von Biogen/Eisai eher einen Ausreisser dar, der aber mit detaillierten Daten auf der CTAD Konferenz noch verifiziert werden muss.»

Tatsächlich warten bei dem Duo Investoren und Experten gespannt auf Ende November. Dann findet der Fachkongress Clinical Trials on Alzheimer’s Disease (CTAD) statt, an dem die detaillierten Daten vorgestellt werden.

Die Roche-Daten dürften dagegen kaum noch jemanden interessieren. Am Markt hiess es am Morgen in ersten Reaktionen, die Ergebnisse zeigten, dass das Produkt Gantenerumab tot sei. «Die beiden Studien sind in der Tat komplett negativ ohne irgendeinen Lichtblick», fasst es Octavian-Analyst Nawrath zusammen.

Das zeigt sich auch am Aktienkurs: Die sonst eher behäbigen Roche-Bons sackten am Montag um 3,3 Prozent ab, die Inhaber sogar um mehr als 4,9 Prozent.

Roche bleibt Alzheimer-Forschung treu
Wie Roche ebenfalls mitteilte, werde sich der Konzern trotzdem weiterhin gegen Alzheimer engagieren, «eine der komplexesten neurologischen Erkrankungen und eine grosse Herausforderung für die öffentliche Gesundheit». Roche werde demnach weiter an der Entwicklung und Bereitstellung von Tests für eine frühzeitige und genaue Alzheimer-Diagnose arbeiten und verfüge über eine Pipeline von Prüfmedikamenten für verschiedene Angriffspunkte, Arten und Stadien der Krankheit.

Analyst Lorenzo Biasio von der Credit Suisse wiederum glaubt, dass Roche möglicherweise auch extern nach geeigneten Kandidaten suchen könne. «Eine inorganische Lösung wäre in diesem Fall durchaus eine Option», so der Experte im Gespräch mit AWP.

Klar sei, dass für Roche erst einmal der Zug abgefahren sei, so Biasio weiter. Biogen/Eisai dürften sich auf jeden Fall ein Stück des Milliardenmarktes sichern. Bei Eli Lily stehen die Daten noch aus.

Branche unter Erfolgsdruck
Wie stark die Pharmabranche beim Thema Alzheimer unter Druck steht, zeigen einige Statistiken. Berechnungen der Organisation Alzheimer’s Disease International zufolge könnten bis 2050 weltweit 139 Millionen Menschen an Alzheimer erkranken. Bereits heute sind etwa 55 Millionen von dieser verheerenden Krankheit betroffen. Zudem könnten sich die weltweiten Krankheitskosten bis 2030 auf rund zwei Billionen US-Dollar verdoppeln.

Wie viel Roche am Ende mit diesem Misserfolg an Forschungsgeldern versenkt hat, ist ungewiss. Phase-III-Studien sind in der Regel kapitalintensiver und das Programm von Roche war mit seiner Dauer von 27 Monaten und seiner Teilnehmerzahl von knapp 2000 Patienten eines der umfangreichsten.

Erst im September hatte der CS-Analyst Biasio in einer Studie geschrieben: «Seit 1995 wurden mehr als 42,5 Milliarden US-Dollar an privaten Ausgaben in Forschungs- und Entwicklungsprojekte für Alzheimer gesteckt wurden, an denen fast 185’000 Patienten beteiligt waren.» Unter normalen Umständen hätte dies ausgereicht, um etwa zwei Dutzend Medikamente zu entwickeln, so der Analyst. (awp/mc/pg)

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