Rückblick auf den Marketing Tag 19 vom 12. März 2019
Luzern – Marketeers sollen Emotionen kreieren, Gemüter erhitzen und die Kauflust schüren. Am Marketing Tag 2019 wurden unter dem Motto «Light my Fire» innovative Anfeuerungskonzepte in die noblen Hallen des KKL Luzern gezündelt.
Von Robert Wildi
Satzstellung und Betonung machen die Botschaft. «DICH liebe ich!» flüstert der Mann seiner Frau nach 30 Ehejahren ins Ohr. Denn bei «Ich liebe Dich» droht laut Martin Limbeck je nach Entfremdungsfaktor die eisige Replik «Wen sonst noch?». Für den deutschen Verkaufstrainer und glühenden Fussballfan muss Marketing wie eine Partnerschaft «mitten ins Herz» treffen, um zu funktionieren. Dafür brauche es Vertrauen, das auf menschlichen Emotionen basiere. Nach dem Motto «You can’t email a handshake» könne diese Kernaufgabe des Marketings nicht allein an die Digitalabteilung im Unternehmen delegiert werden.
Merkel vs. Zenhäusern im «Emotiometer»
Der Veranstalterin Swiss Marketing Forum (SMF) ist es auch dieses Jahr gelungen, dem Marketing Tag mit einer bunten Auswahl an Persönlichkeiten und Querdenkern, Strategen und (Lebens)-Künstlern eine nachhaltig würzige Note zu verleihen.
Allen Anwesenden hätte der sichtlich «on fire» auftretende Gastgeber und SMF-Präsident Uwe Tännler am liebsten die Hand geschüttelt, als er sich zum Auftakt mit dem Mikro seinen Weg durch die Sitzreihen bahnte und wissen wollte: «Wann brennt bei Ihnen das innere Feuer?» Die Antworten reichten von «Wenn ich überrascht werde!» über «Wenn mich eine Sache innerlich total überzeugt!» bis zu «Wenn mich eine Botschaft emotional zu fesseln vermag!».
Gekonnt zeigte Susanne Wille, die den Anlass zum 10. Mal moderierte, gleich zum Auftakt zwei starke Einspieler zum Eventmotto: Bei der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel ist von Freude nichts zu spüren, wenn sie einer fröhlichen Faschingstanzchoreografie beiwohnt und dies mit Trauerblick in die Kameras von staatlichen TV-Sendern quittiert. Da können die Brunftschreie unseres Ski-Asses Ramon Zenhäusern im Starthäuschen schon eher heisses Blut vermuten lassen. Wird er die neue Synchronstimme von King-Kong?
Bauch weist Kopf in die Schranken
Wann also brennt es, und vor allem wie ist es zu entfachen, das Feuer der Zustimmung, der inneren Überzeugtheit, der eruptierenden Kauflust? Etwa dann, wenn man sich neue Joggingschuhe an die Füsse schnallt und plötzlich über den Asphalt gleitet. Eine Emotion, von der sich bis heute schon fünf Millionen Menschen rund um den Globus zum Kauf von On-Turnschuhen «Made in Switzerland» verleiten liessen. «Erst nachdem ich selbst mit einem Prototyp eine Runde gedreht hatte, glaubte ich an den Erfolg», erklärte der On-Mitgründer und Marketeer of the Year David Allemann. Mit potenziellen neuen Händlern für seine Schuhe setzt er sich nicht an den Verhandlungstisch, sondern geht mit ihnen laufen.
Ein wundbarer Botschafter sind Brands wie On, im grösseren Rahmen Apple, für die These des Startreferenten Philipp Zutt, Unternehmensberater und Spezialist für Neuromarketing: «In Märkten mit austauschbaren Produkten kann nur die Marke gewinnen, die im Hirn des Kunden das emotional treffendste Feuerwerk zündet.» Bis zu 10’000 Werbebotschaften würden täglich auf einen einzigen Konsumenten einprasseln, «Nimm mich!» schreien und damit ein neurologisches Datenchaos auslösen. «Wir müssten 3,7 Millionen Jahre lang zählen können, um alle Synapsen zu erfassen, die sich in einem einzigen Leben in unserem Hirn abspielen.»
So viel Zeit hat kein Mensch, denn er will jetzt und hier konsumieren. Den Produktentscheid treffe er in neun von zehn Fällen aus dem Bauch heraus. Der Kopf und die rationale Vernunft seien in der Regel nur Statisten. Je mehr Sinne bei der Attacke auf Kundenemotionen angesprochen werden, desto grösser die Erfolgschancen. «Lassen Sie sie die Einzigartigkeit eines Produkts nicht nur sehen, sondern hören, fühlen, schmecken und riechen», so Zutts zentraler Tipp an die Besucher. Wer dies alles optimal unter einen Hut bringe, habe den «Gold-Standard» gefunden.
Berner Trickreichtum und Stimmgewalt
Apropos Hut. Aus diesem zauberte der erste Überraschungsgast Christian Bischof vor den Augen der verblüfften Menge jede Menge Banknoten, wo gerade eben noch wertloses Papier war. Dazu brauchte der Berner Magier mit BWL-Vergangenheit nicht mal einen Hut, sondern Fingerfertigkeit, die den Funken definitiv springen liess und das Feuer für spätere Nachahmungsversuche wohl gleich mehrfach entfachte. Auf Stimmgewalt und coole Mundart-Lyrics setzt der zweite Überraschungsgast Gölä, der beim Smalltalk mit Susanne Wille den einen oder anderen «Burner» in Form von Klartext platzierte. Echt Büezer blieb er danach zum Signieren seiner CD und liess jede Menge Selfies zu.
Marketing 4.0
Digitale Tools für den Transport von Emotionen zu nutzen, funktioniert derweil nicht nur im privaten Fotoalbum, sondern ist fester Bestandteil des Marketingalltags. Wie die vierte industrielle Revolution heute intensiv dazu genutzt wird, eine Marke über alle denkbaren Kanäle «on fire» zu setzen, erklärte auf eindrückliche Weise Guntram Friede, der das Schweizer Marketing für den US-Cloud-Computing-Giganten Salesforce leitet. In Form von digitalen «Trailblazers» (Wegbereitern) entwickelt das Milliardenunternehmen in seiner Marketing-Cloud innovative Kommunikationskonzepte für Marken wie Adidas, Coca-Cola oder American Express und erreicht damit die emotionale Ebene der Kundschaft zielsicher.
Frauen sind die echten «Marketing Emojis»
Dass beim Sturm auf die Kundenherzen geschlechterspezifische Differenzierungen zu beachten sind, zeigte in einer der acht «Breakout-Sessions» Anja Peter eindrücklich auf. Die Geschäftsführerin der Human Empowerment Center AG und Spezialistin für «Gender Selling» belegte mit Zahlen und Beispielen zu Entscheidungsprozessen, weshalb das Marketing zwingend auf die Zielgruppe Frau setzen sollte. Wer Frauen ignoriert, verliert eine gewaltige Kaufkraft.» Um die viel stärker auf der emotionalen Ebene erreichbaren Konsumentinnen für sich zu gewinnen, brauche es in erster Linie eine stringente «Customer Journey», die stark auf die Beziehungsebene baue. Das wichtigste Gebot: «Frauen dürfen nie unter Druck gesetzt und noch weniger ignoriert werden.»
Selbst in Zeiten von Marketing Automation und digitalem Storytelling via «Trailblazers» steht diese Aussage stellvertretend für jeden Konsumenten, unabhängig vom Geschlecht. Vielleicht wäre da sogar etwas Rückbesinnung auf alte Werte angesagt, um verschiedene Feuer neu zu entfachen. Oder wie es Philipp Zutt im Rahmen seines feurigen Auftritts dann doch eher ernüchtert formulierte: «Dass die letzte Streicheleinheit vor der Nachtruhe in immer mehr Schlafzimmern dem Smartphone gewidmet wird, sollte zu denken geben.» (SMF/mc/hfu)
Drei Fragen an Uwe Tännler, Präsident Swiss Marketing Forum
Herr Tännler, ein Tag voller sprühender Funken, Emotionen, feuriger Statements ist zu Ende. Fühlen Sie sich jetzt ausgebrannt?
Ganz im Gegenteil. Das Thema «Light my Fire» wurde heute, wie vom grossartigen Setup angekündigt, tatsächlich über alle fünf Sinne bespielt und mit praktischen Beispielen untermalt. Ich bin beeindruckt und «on fire». Und ich wette, es geht den meisten der fast 900 Besucher des Marketing Tages genauso.
Was haben Sie vor allem gelernt?
Die verschiedenen Keynotes haben eindrücklich aufgezeigt, dass es am Ende des Tages trotz grassierender Digitalisierung auch im Marketing immer noch zentral um die Menschen mit allen ihren Stärken und Schwächen geht. Und das ist gut so.
Wie haben Ihnen die Siegerprojekte der Marketing Trophy gefallen?
Tolle und innovativ Projekte. Wer diese Trophäe gewinnt, darf sich mit Fug und Recht freuen und auch stolz sein. Die Gewinner und Nominierten haben einmal mehr gezeigt, wie auch mit vergleichsweise geringen Mitteln positive Emotionen ausgelöst werden können. Sie haben das Feuer bei ihren Zielgruppen entfacht und durften sich verdient auf unserer Bühne feiern lassen. Nochmals herzliche Gratulation den Nominierten und Gewinnern. Wir freuen uns schon heute auf den nächsten Marketing Tag, der am 10. März 2020 wieder hier im KKL Luzern stattfinden wird.