Sättigungstendenzen bei eidgenössischen Volksinitiativen
Bern – Sechs eidgenössische Initiativen sind 2016 lanciert worden. Das sind gleich viele – oder besser – gleich wenige wie im letzten Jahr. Sieben Volksbegehren kamen zustande, drei mehr als 2015.
Geendet hat das auslaufende Initiativen-Jahr mit einem Paukenschlag: Die Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (AUNS) kündigte nach dem Parlamentsentscheid zur Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative für 2017 ein Volksbegehren für die Aufkündigung der Personenfreizügigkeit an.
Mit Getöse war schon im Frühling das Begehren «Ja zum Verhüllungsverbot» lanciert worden. Der Auftritt vor dem Bundeshaus in Burka-Verkleidung und mit einer Sprengstoffattrappe trug den Initianten um den Solothurner SVP-Nationalrat Walter Wobmann einige Aufmerksamkeit, aber auch eine Busse ein.
Von solchen Reizthemen abgesehen, scheint das Instrument der Initiative 125 Jahre nach seiner Einführung etwas von seinem Zauber verloren zu haben. Darauf hatte schon die magere Bilanz des Wahljahres 2015 mit nur sechs neuen Initiativen hingedeutet. 2014 waren noch doppelt so viele gestartet worden, auf dem Höhepunkt der Initiativenflut im Jahr 2011 sogar noch fast zwei Dutzend.
Für transparente Politik und faire Preise
Von den Bundesratsparteien stieg im auslaufenden Jahr einzig die SP ins Rennen, wenn auch nicht im Alleingang. Zusammen mit Grünen, BDP, Piraten, EVP, Jungparteien und anderen Organisationen wirbt sie seit April um Unterschriften für eine Initiative für «mehr Transparenz in der Politikfinanzierung».
Wenig Beachtung fand im Mai der Start der Initiative «Stopp den Auswüchsen von Via Secura», mit der ein Westschweizer Verein den harten Sanktionen für Raser den Kampf ansagen will. Im gleichen Monat lancierten Travail.Suisse, Männer- und Frauenorganisationen sowie Pro Familia eine Initiative «für einen vernünftigen Vaterschaftsurlaub».
Im Herbst folgte die «Fair-Preis-Initiative», die der Hochpreisinsel Schweiz ein Ende setzen will. Dahinter stehen die Stiftung für Konsumentenschutz (SKS), Gastrosuisse und Swissmechanic. Das jüngste Volksbegehren mit dem Titel «für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide» stammt von einem Neuenburger Komitee.
Vorläufig nichts wird es mit der Grenzssicherungsinitiative, die im Herbst 2015 ebenfalls von der AUNS angekündigt worden war. Die AUNS hat das Projekt nach eigenen Angaben wegen Schwierigkeiten mit dem Initiativtext sistiert. Mit ein Grund war, dass die EU vorübergehend wieder Grenzkontrollen im Schengen-Raum erlaubt.
«KESB»-Initiative verspätet, aber nicht vom Tisch
Obwohl wiederholt in Aussicht gestellt, liess auch die Initiative «KESB – Mehr Schutz der Familie» auf sich warten. Der Schwyzer SVP-Nationalrat und Mitinitiator Pirmin Schwander führt die Verzögerung unter anderem auf das Verfahren um die Aufhebung seiner parlamentarischen Immunität in einem KESB-Fall zurück. Als neuen Termin für den Start der Unterschriftensammlung nennt er Frühjahr 2017.
Gegen fremde Richter und hornlose Kühe
Mit der nötigen Unterschriftenzahl bei der Bundeskanzlei deponiert wurden die Velo-Initiative von Pro Velo, die Hornkuh-Initiative, die Ernährungssouveränitäts-Initiative von Uniterre sowie die Initiative «Schweizer Recht statt fremde Richter». Mit der sogenannten Selbstbestimmungsinitiative will SVP die Bundesverfassung über das Völkerrecht stellen.
Eingereicht und zustande gekommen sind auch die Konzernverantwortungsinitiative einer Koalition aus rund 80 Menschenrechtsorganisationen und Hilfswerken, die Initiative «Mehr bezahlbare Wohnungen» des Mieterverbandes sowie die Zersiedelungsinitiative der Jungen Grünen.
Abgestimmt wurde 2016 über neun Volksinitiativen, darunter die Durchsetzungsinitiative der SVP. Keine einzige fand jedoch Gnade beim Souverän. Am besten Schnitt noch die CVP-Initiative «für die Abschaffung der Heiratsstrafe» mit 49,2 Prozent Ja-Stimmen ab. 13 Volksbegehren sind aktuell noch beim Bundesrat oder Parlament hängig, eines mehr als Ende 2015. (awp/mc/pg)