SBB-Cargo-CEO Nicolas Perrin.
Bern – Das Gütertransportunternehmen SBB Cargo baut seinen Service im Wagenladungsverkehr ab. 128 der 500 Verladebahnhöfe werden ab Dezember nicht mehr bedient. Eine Teil der betroffenen Kunden wird auf die Strasse ausweichen müssen. Die Streichung der Bedienpunkte kommt nicht überraschend. Schon seit Jahren möchte SBB Cargo sein Verladenetz verkleinern, war aber zunächst von der Politik gestoppt worden.
Absehbare Folge der Massnahme sind nämlich zusätzliche Lastwagen auf der Strasse, was den erklärten Zielen der Schweiz in der Verkehrs- und Umweltpolitik zuwiderläuft.
Rote Zahlen
Andererseits macht die Politik der SBB, deren Gütertransportsparte seit Jahren rote Zahlen schreibt, finanzielle Vorgaben. Der Bundesrat hat SBB Cargo darum im Frühling sein Einverständnis zur Verkleinerung des Verladenetzes signalisiert. Damit macht das Unternehmen nun ernst. Ab dem Fahrplanwechsel am 9. Dezember 2012 wird SBB Cargo an 128 Bedienpunkten keine einzelnen Güterwagen oder Wagengruppen mehr zustellen oder abholen, wie das Unternehmen am Mittwoch mitteilte. Besonders betroffen sind die Kantone Bern, Zürich und Thurgau.
Ursprünglich wollte SBB Cargo 155 Bedienpunkte dichtmachen. In Verhandlungen konnten für einige davon aber Lösungen gefunden werden. Der Abbau kostet zudem 200 Stellen. Davon betroffen sind 100 Mitarbeitende von SBB Cargo. Für diese sollen interne Lösungen gefunden werden, Entlassungen gibt es keine.
Mehr Lastwagen
Von der beschlossenen Massnahme besonders betroffen sind die Holz- und Zementbranche sowie die Landwirtschaft. In diesen Branchen fällt oft zu wenig oder zu wenig regelmässig Ware an, die transportiert werden könnte. Nach Angaben von SBB Cargo verkehrt an den nicht mehr bedienten Verladebahnhöfen im Schnitt weniger als ein Wagen pro Tag. Das Unternehmen schätzt, dass rund 2% des Volumens von knapp 200’000 Tonnen pro Tag nicht mehr transportiert wird. Ein grosser Teil der Waren, die von SBB Cargo nicht mehr abgeholt oder zugestellt werden, dürfte in Zukunft wieder per Lastwagen verkehren. Rechnet man die Angaben von SBB Cargo hoch, handelt es sich um einige Tausend Fahrten pro Jahr.
Der Solothurner SP-Nationalrat und SEV-Gewerkschaftssekretär Philipp Hadorn (SO) befürchtet, dass es Zehntausende sein könnten. Für ihn geht der Abbau darum in eine völlig falsche Richtung, wie er auf Anfrage der sda sagte.
Kein Präjudiz
Der Entscheid widerspricht auch den politischen Vorgaben des Parlaments. Vor gut einem Jahr hatten die eidgenössischen Räte vom Bundesrat eine Gesamtkonzeption für die Förderung des Schienengüterverkehrs im Flachland verlangt. Ziel des Vorstosses ist es, den Anteil des Güterverkehrs auf der Schiene mindestens zu halten. Dass SBB Cargo mit Unterstützung des Bundesrats nun vollendete Tatsachen geschaffen hat, stösst nicht nur Hadorn sauer auf. Markus Hutter (FDP/ZH), Präsident der Verkehrskommission des Nationalrats, kritisiert die fehlende politische Führung. Eine Auslegeordnung sei längst überfällig.
Beim Bundesamt für Verkehr sieht man in der der Schliessung von Verladepunkten jedoch kein Präjudiz für die vom Parlament geforderte Gesamtkonzeption. Diese soll noch vor Ende Jahr in die Vernehmlassung gehen, wie ein Sprecher sagte.
Langfristige Folgen
Der Entscheid von SBB Cargo stellt aber nicht nur die Politik vor Probleme. Die von der Nachrichtenagentur sda befragten Unternehmen Migros, Coop und fenaco, die zu den grössten Kunden der SBB-Tochter gehören, verlieren einige Verladepunkte und müssen in Zukunft wieder mehr Waren auf der Strasse transportieren.
Mit den ausgehandelten Lösungen zeigten sie sich aber weitgehend zufrieden. Probleme dürften vor allem kleinere Kunden haben, wie Franz Steinegger, Präsident des Verbands der verladenden Wirtschaft (VAP), auf Anfrage sagte. Für bedenklich hält er jedoch vor allem die langfristigen Folgen des Entscheids. Logistik funktioniere immer als System. Wenn einige Bedienpunkten wegfielen, könne es sein, dass das ganze System umgestellt werde, sagte er. (awp/mc/cs/upd/ps)