Bern – Die SBB haben 2022 trotz höherem Kundenaufkommen nach Corona ein negatives Ergebnis von 245 Millionen Franken eingefahren. Bis 2030 wollen die SBB deshalb ein Kosten- und Effizienzprogramm im Umfang von sechs Milliarden Franken umsetzen.
Gründe für das negative Jahresergebnis seien ein Verlust bei Infrastruktur Energie und eine Wertberichtigung bei der SBB Cargo AG, teilten die SBB am Montag vor den Medien in Bern mit. Ohne diese zwei Verlustbereiche hätten die SBB eine schwarze Null erreicht.
Die Wertberichtigung von 83 Millionen Franken sei aufgrund der gedämpften wirtschaftlichen Aussichten sowie der unsicheren künftigen finanziellen Förderung des Einzelwagenladungsverkehrs notwendig gewesen, hiess es. Der Verlust bei Infrastruktur Energie von 165 Millionen Franken ist vor allem auf den Krieg in der Ukraine zurückzuführen. Dieser habe zu höheren Energiekosten und inflationsbedingt höheren Preisen und Zinsen geführt.
Als Vorsorge auf eine mögliche Energiemangellage hatten die SBB zudem die Stauseen geschont, um im Winter genügend Strom zu haben. «Diese Massnahme alleine hat uns 55 Millionen Franken gekostet», sagte SBB-Finanzchef Franz Steiger. Wegen des geringen Regens im Sommer konnten die SBB auch weniger Strom selber produzieren und mussten mehr am Markt kaufen.
Digitalisierung soll Produktivität steigern
Die Schulden der SBB sind 2022 um 2,5 Prozent auf über 11 Milliarden Franken gestiegen. Das entspricht einer Zunahme um über 27 Prozent gegenüber 2019. Ein mit dem Bund überarbeitete Stabilisierungspaket soll deshalb die Finanzierung bis 2030 nachhaltig sichern und Schulden abbauen. Insgesamt wollen die SBB sechs Milliarden einsparen.
«Wir müssen die Kostenentwicklung dämpfen, damit wir trotzdem wachsen können, aber die Kosten nicht gleich oder überproportional wachsen», sagte SBB-Verwaltungsratspräsidentin Monika Ribar. Es gebe diverse Projekte im Unternehmen, die vor allem auf die Produktivität abzielten. So sollen unter anderem Digitalisierungsprogramme den Betrieb produktiver und effizienter machen.
Zudem rechnen die SBB damit, dass die für 2023 gesetzlich bedingte Erhöhung des Bahnstrompreises durch das Bundesamt für Verkehr (BAV) teilweise entlastend wirken wird.
Mehr Freizeitreisen
2022 waren täglich 1,16 Millionen Kundinnen und Kunden mit der Bahn unterwegs. Das ist zwar ein Zuwachs im Vergleich zum letzten Pandemiejahr 2021, entspricht allerdings noch nicht dem Niveau vor der Corona-Pandemie 2019. Nicht vergessen werden dürfe, dass auch 2022 noch mit Corona begonnen habe, sagte Monika Ribar. «Erst ab dem zweiten Quartal hat sich die Zahl der Passagiere erholt.»
Die SBB spürten nach wie vor einen Homeoffice-Effekt unter der Woche, am Wochenende reisten jedoch wieder mehr Menschen mit dem Zug. «Wir haben eine Erhöhung im Freizeitbereich festgestellt», so Ribar. Zugenommen haben die Fahrten auch im Fernverkehr und bei den Nachtzügen. Mehr verkaufen konnten die SBB 2022 auch Halbtax-Abonnemente und Interrail-Pässe sowie Billette für Veloreisende.
Keine Erhebung des Alters und Geschlecht
Nach Kritik wegen des Datenschutzes an einem geplanten neuen Messsystem für Kundenströme an Bahnhöfen wollen die SBB nun ganz auf die Erhebung von Kundensegmentdaten verzichten, wie sie mitteilten. Offen lassen wollten sich die SBB zuerst die Möglichkeit, Daten von Kundensegmenten wie das Alter, Geschlecht oder die Grösse zu erfassen. Nach einer «Nutzenabwägung» und «auch wegen der Besorgnis in der Öffentlichkeit» sind die SBB nun aber zum Schluss gekommen, ganz darauf zu verzichten.
Die Ausschreibung wird entsprechend angepasst. Die SBB suchen seit Anfang Februar mit einer öffentlichen Ausschreibung Anbieter für das neue Kundenfrequenzmesssystem in den Bahnhöfen. Die Bahn entfachte damit eine Debatte über den Datenschutz im öffentlichen Raum.
SEV gegen Bahnnetz-Liberalisierung
Die Gewerkschaft des Verkehrspersonals SEV zeigte sich erfreut darüber, dass sich die Zahlen der SBB erholen. Das Personal müsse nun weiter gestärkt werden, allfällige Sparmassnahmen dürften auf keinen Fall auf deren Buckel ausgetragen werden.
Der SEV lehnt die von der EU geforderten Liberalisierung des internationalen Personenverkehrs ab. Sollten Unternehmen wie Flixtrain Strecken der SBB übernehmen, drohe Sozialdumping. Privatfirmen aus der EU dürften keine Rosinenpickerei auf dem Schweizer Netz betreiben.
Auch die SBB-Verwaltungsratspräsidentin zeigte sich überzeugt, dass das in der Schweiz geltende System gut funktioniert. Für eine Liberalisierung seien nicht genügend Trassen vorhanden. (awp/mc/pg)