Mitarbeiter befestigen Gleisköpfe im Abschnitt in Altdorf des Gotthardtunnels. (foto@sbb.ch)
Erstfeld UR – Auf den Tag genau zwei Jahre bevor der erste fahrplanmässige Zuge durch den neuen Gotthard-Basistunnel fährt, ist die SBB mit den Vorbereitungsarbeiten «auf Kurs». Ende 2016 sollen pro Stunde und Richtung bis fünf Güter- und zwei Personenzüge durch den Tunnel fahren.
Die Inbetriebnahme des 57 Kilometer lagen und somit längsten Eisenbahntunnels der Welt ist am 11. Dezember 2016 geplant. Am Donnerstag informierten die Verantwortlichen der SBB auf der Baustelle des neuen Erhaltungs- und Interventionszentrums in Erstfeld über den Stand der Arbeiten und Vorbereitungen.
Das Wichtigste nahmen Nicolas Perrin, Leiter SBB Cargo, und Jeannine Pilloud, Leiterin SBB Personenverkehr, einstimmig vorweg: «Wir sind auf Kurs.» Ebenso einstimmig verkündeten sie aber auch, dass bis zur Inbetriebnahme des Tunnels auf den Fahrplanwechsel 2016/2017 noch viel Arbeit anstehe. Etwa die Schulung des Personals oder die Inbetriebnahme des Rollmaterials.
Nach der langen Bauphase sei nun die SBB gefordert, Angebote zu präsentieren, damit die Nord-Süd-Achse auf der Schiene auch wirklich gestärkt werde, sagte Perrin. Er betonte die logistische Herausforderung, den Fahrplan so zu gestalten, dass der Güterverkehr und der Personenverkehr aneinander vorbeikommen – ohne dabei die Pünktlichkeit zu beeinträchtigen.
Zuverlässiger für Güterverkehr
Für den Güterverkehr ermöglicht der neue Eisenbahntunnel mehr und schnellere Verbindungen. Die Züge sollen zudem zuverlässiger und für die Kunden planbarer fahren, weil witterungsbedingte Streckenunterbrüche laut SBB grösstenteils ausgeschlossen werden könnten. Der Gotthard-Basistunnel verbindet das Nordportal in Erstfeld UR und das Südportal in Bodio TI.
Ein Viertel des heutigen Güterverkehrs ist nicht Transitverkehr sondern endet im Tessin. Der Tunnel bringe neue Marktchancen, sagte Perrin. Mehrere tägliche Zustellungen und Abholungen an den grossen Standorten im Tessin würden möglich. Am Vortag geerntetes Obst und Gemüse aus dem Tessin und aus Norditalien beispielsweise könne bereits frühmorgens auch in Westschweizer Filialen angeliefert werden.
Die neue Eisenbahnstrecke ermöglicht auch längere (bis zu 750 Meter) und schwerere (bis zu 2’500 Tonnen) Züge. Mit der anstehenden Realisierung des 4-Meter-Korridors, mit dem auf der Gotthard-Basislinie zwanzig Tunnel angepasst werden, um Sattelauflieger mit vier Metern Höhe auf Bahnwagen transportieren zu können, steige die Wettbewerbsfähigkeit deutlich, sagte Perrin.
Schneller ins Tessin
Im Personenverkehr werden den Reisenden mehr Verbindungen, deutliche kürzere Reisezeiten und modernere Züge zur Verfügung stehen. Das Rollmaterial sei bestellt, versicherte Pilloud.
Insgesamt acht neue Treibzüge kommen seit November 2014 schrittweise zum Einsatz. Ab Ende 2019 werden 29 neue Züge auf der Nord-Süd-Achse verkehren. Zudem wird die bestehende Flotte für die erhöhten Sicherheitsnormen im neuen Gotthardtunnel bereit gemacht.
Die Fahrt von Zürich nach Lugano auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke soll ab 2020 weniger als zwei Stunden dauern, von Mailand nach Zürich weniger als drei Stunden. Zudem soll die Direktverbindung von Zürich nach Venedig wieder eingeführt werden, sagte Pilloud. Die Verbesserungen werden schrittweise eingeführt, bis zur Inbetriebnahme des Ceneri-Basistunnels gilt vorübergehend ein Baustellenfahrplan mit reduzierten Fahrzeitgewinn.
Die SBB erwartet mit dem neuen Tunnel im Personenverkehr eine Verdoppelung der Nachfrage auf der Nord-Süd-Achse. Heute fahren täglich rund 9000 Passagiere über den Gotthard. Bis 2020 dürften es 15’000 sein. «Das sind Zahlen, die wir hatten, bevor der Strassentunnel eröffnet wurde», sagte Pilloud.
Schulung des Personals
Damit der Personen- und Güterverkehr reibungslos über die Gleise rollen kann, müssen rund 3900 Mitarbeiter von SBB, Drittbahnen und kantonalen Rettungskräften in den nächsten zwei Jahren geschult werden.
Parallel dazu entstehen in Erstfeld und Biasca zwei neue Erhaltungs- und Interventionszentren. Rund 300 Mitarbeiter werden von dort aus für den Unterhalt und für die Behebung von Störungen verantwortlich sein. Ihnen werden 31 neue Erhaltungsfahrzeuge und zwei neue Lösch- und Rettungszüge zur Verfügung stehen.
Damit die neue Flachbahn durch die Alpen 2020 – nach Inbetriebnahme des Ceneri-Basistunnels und des 4-Meter-Korridors – die volle Leistungsfähigkeit erreicht, müssen auf der Zufahrtstrecke rund 25 Bauprojekte realisiert werden. Beispielsweise den Doppelspurausbau bei Walchwil am Zugersee. Für die SBB sind diese Baustellen eine grosse Herausforderung für die Fahrplanstabilität. (awp/mc/ps)