Zürich – Die Schweizer Wirtschaft zeigt sich widerstandsfähig gegenüber dem schwierigen globalen Umfeld. Die Ökonomen der Credit Suisse rechnen demzufolge unverändert mit einem Wirtschaftswachstum von 2.5 % im laufenden Jahr. Ebenso zeigen sie auf, warum das Risiko für eine internationale Schuldenkrise trotz Zinswende kurzfristig nicht akut und daher für die Straffung der Geldpolitik kein Problem ist. Gemäss ihrer Analyse verschlechtert sich aber die Tragbarkeit der Schulden in einigen Ländern schon ab Mitte dieses Jahrzehnts derart, dass es zu einer Schuldenkrise kommen kann.
Die positive Dynamik infolge der Aufhebung der Coronamassnahmen prägt das Wirtschaftsgeschehen weiterhin. Derweilen bleiben die Konsumenten dank der hohen individuellen Arbeitsplatzsicherheit und trotz bedenklicher Lage in der Ukraine in Kauflaune. Die gestiegene Inflation vermag zudem die Kaufkraft hierzulande insgesamt nicht zu schmälern. Dank des hohen Beschäftigungswachstums und der Verschiebung hin zu besser bezahlten Arbeitsstellen hat die Summe der ausbezahlten Löhne im ersten Quartal 2022 um 3.9 % zugenommen und damit stärker als die Inflation (2.1 %). Die Inflationsrate wird bis Ende dieses Jahres auf über 2.0 % verharren (Jahresdurchschnitt 2022: 2.3 %). Dank der vorteilhaften Arbeitsmarktsituation, mit einem Beschäftigungswachstum von 1.7 % und einem Lohnwachstum von 0.8 %, wird sich der gesamtwirtschaftliche Kaufkraftverlust indes weiterhin in Grenzen halten.
Liefersituation bleibt angespannt
Gleichzeitig setzt der Trend zu einem vermehrt lokalen Einkauf Anreize für zunehmende Ausrüstungsinvestitionen. Gemäss der monatlichen Einkaufsmanagerbefragung durch die Credit Suisse und procure.ch stockt jedes fünfte Unternehmen seine Investitionspläne wegen der Lieferkettenprobleme auf. Die Schwierigkeiten bei Lieferketten und Logistik werden indessen bis auf Weiteres anhalten – eine Rückkehr zum Normalzustand im Einkauf erwarten 80 % der Umfrageteilnehmenden erst im kommenden Jahr oder danach. Bis anhin werden sie die Industrie bremsen: 62 % der Unternehmen befürchten in den nächsten sechs Monaten Produktionsausfälle, weil es an Vorleistungen oder Rohmaterialien fehlt.
Zinswende schlägt nur langsam auf Refinanzierung durch
Das Fokusthema der neusten Studienausgabe des Monitors Schweiz widmet sich der Bedeutung der Zinswende für die Staatsfinanzen der Schweiz und ihrer Handelspartner. Nach der Pandemierezession und den milliardenschweren Stützungsprogrammen sind die Staatsschulden auf ein Rekordniveau angeschwollen. Doch der Schuldenstand allein macht noch keine Schuldenkrise. Die Ökonomen der Credit Suisse analysieren daher eine Reihe von Indikatoren für die Tragbarkeit der Schulden. Kurzfristig kann für die meisten Länder Entwarnung gegeben werden: Hohe Restlaufzeiten sorgen dafür, dass die Refinanzierungskosten auch bei markanten Leitzinserhöhungen nur langsam steigen werden. Den Zentralbanken stehen die Staatsschulden bei der geldpolitischen Straffung vorerst nicht im Weg. Zudem ist Europa dank der verbesserten Euro-Architektur widerstandsfähiger geworden, was das Risiko einer Glaubwürdigkeitskrise reduziert.
Gegen Mitte dieses Jahrzehnts wird der Ausblick der Länder jedoch zunehmend heterogener. Während sich die Frage nach der Tragfähigkeit für die Schweiz und Deutschland nicht stellt, zeichnet sich andernorts eine Trendwende beim Zins-Wachstums-Differential ab – was die Stabilisierung der Schuldenquote zur Herausforderung macht. In den USA dürfte dies ab 2027 der Fall sein, in Spanien und Frankreich ab 2028. Italien sticht mit einer problematischen Kombination aus fundamental schlechter Fiskalposition und volatilen Risikoaufschlägen hervor. Unser südlicher Nachbarstaat wird spätestens ab Mitte 2025 den Drahtseilakt zwischen notwendiger Konsolidierung und wachstumsschädigender Austerität meistern müssen, um das Vertrauen der Märkte nicht zu verlieren. (Credit Suisse/mc/ps)