Horgen – Der Industriekonzern Schweiter trennt sich von seiner traditionellen Textilsparte SSM und expandiert gleichzeitig in Irland. Abnehmer von SSM ist der Textilmaschinenbauer Rieter, der für diesen Zukauf über 120 Mio CHF ausgibt. Bei Schweiter endet damit eine Ära, für Rieter ist es die erste Akquisition seit zehn Jahren. Die Kurse beider Aktien profitieren.
Für die Division SSM Textilmaschinen von Schweiter bezahlt Rieter einen Kaufpreis von 124,2 Mio CHF, wie Schweiter am Montag mitteilte. Die deutlich kleinere Division SSM hatte 2016 einen Umsatz von knapp 86 Mio CHF erzielt, der Gesamtkonzern mit dem grösseren Verbundwerkstoff-Bereich dagegen über 1 Mrd CHF.
Der Verkaufspreis beinhaltet die im Unternehmen SSM Textilmaschinen verbleibenden Barmittel. Der Unternehmenswert beläuft sich auf 100 Mio CHF. Für Schweiter resultiert aus dem Verkauf ein Buchgewinn von rund 90 Mio.
Mit dem Verkauf der Textilmaschinensparte SSM geht bei Schweiter eine Ära zu Ende. Das Unternehmen ist nun ein reiner Verbundwerkstoff-Spezialist. CEO Heinz Baumgartner machte an einer Medienkonferenz aus Anlass des Verkaufs von SSM an Rieter sowie der Akquisition der irischen Athlone keinen Hehl aus der Tatsache, dass ihm die Trennung schwer fiel. «Rational war der Entscheid einfach, aber emotional schwierig», so Baumgartner.
«Stolz auf Schweizer Lösung»
Er zeigte sich dabei gleichzeitig stolz darauf, dass mit Rieter ein bedeutender Konzern SSM übernommen habe und dass eine Schweizer Lösung gefunden wurde. Dies unterstreiche auch die gute Arbeit von SSM in der Vergangenheit. Änderungen im Management oder bei den Mitarbeitern seien nicht vorgesehen, fügte er an, diesbezüglich habe Rieter eine Zusage gemacht. «Rieter ist der richtige neue Besitzer von SSM und wird diese wohl gleich weiterführen wie bisher», so Baumgartner.
Dies bestätigt Rieter: SSM verfüge über eine führende Marktposition mit einer starken globalen Marke, sagte CEO Norbert Klapper an einer Telefonkonferenz. An dieser Marke will Rieter gemäss Klapper festhalten, ebenso am bisherigen Management von SSM. «Insgesamt stärken wir das Components-Geschäft mit einem deutlich weniger zyklischen dafür profitableren Geschäft», begründete er die strategische Logik hinter der Übernahme.
Rieter wird SSM Textilmaschinen in der bisherigen Form als schweizerisches Unternehmen mit Hauptsitz in Horgen, Produktionsstätten in Italien und China sowie dem weltweiten Vertrieb und mit dem bestehenden Management weiterführen. Der Textilmaschinenhersteller finanziert die Übernahme aus der vorhandenen Liquidität, wie Rieter separat mitteilte.
«SSM passt sehr gut zu Rieter»
Die Erfolgsfelder von SSM liegen laut Klapper sehr nahe bei denjenigen Rieters. «Die Übernahme passt sehr gut zu Rieter im Bereich der Kurzfaser-Spinnmaschinen.» Insbesondere sei für Rieter die Technologie des Präzisions-Aufwickelns von Garnen wichtig, wo SSM eine führende Stellung inne habe. Mit dieser Akquisition stosse Rieter in neue, den eigenen aber nahe liegenden Geschäftsfelder vor.
Angaben zum Geschäftsgang konnte Klapper noch keine machen. Soweit er es beurteilen könne, liefen die Geschäfte bei SSM derzeit gut, sagte er immerhin. Genauere Informationen will Rieter mit den Halbjahreszahlen vom 20. Juli veröffentlichen. Er wies aber darauf hin, dass die Transaktion gewinnverdichtend sei, ab 2018 dann auch sichtbar im Reingewinn. Grössere Integrationskosten sind laut Klapper nicht zu erwarten.
Übernahme
Schweiter wiederum will nun die Mittel aus dem Verkauf für die Weiterentwicklung des Verbundwerkstoffgeschäfts sowie für Akquisitionen verwenden. Die neuste Übernahme von Schweiter wurde denn auch ebenfalls am Montag früh bekanntgegeben. Demnach will Schweiter für einen Kaufpreis von 48 Mio EUR die irische Athlone Extrusions mit einem Umsatz von rund 62 Mio EUR übernehmen. Athlone ist ein führender Hersteller von farbigen, mehrschichtigen Kunststoffplatten. Der Abschluss der Transaktion wurde für Ende Juli 2017 in Aussicht gestellt.
Die Übernahme von Athlone stärke innerhalb der Verbundwerkstoffe den Bereich Display, sagte Baumgartner. Die Auslastung der Fabrik in Irland liege bei rund 75%, was ideal sei. «Es ist eine gute Auslastung, sie lässt uns aber noch Spielraum für den Ausbau des Geschäfts ausserhalb Grossbritanniens. Dort erzielte Athlone bisher den grössten Teil des Umsatzes. Baumgartner sieht durch den Kauf von Athlone Synergien, diese liessen sich derzeit aber noch nicht beziffern.
Die Profitabilität wird sich laut Baumgartner für Schweiter nach diesen beiden Transaktionen per Saldo nicht gross verändern. SSM erreichte im vergangenen Jahr eine EBITDA-Marge von knapp 15%, bei Athlone liegt sie gemäss dem CEO bei «10% plus».
An der Börse zogen Schweiter am Montag um 1,8% und Rieter um 1,4% an. (awp/mc/upd/ps)