Bern – Die Schweiz und die EU haben am Donnerstag in Bern die Verhandlungen über ein Rahmenabkommen aufgenommen. Wie lange diese dauern und wohin die Reise geht, ist ungewiss. Lösungen für die institutionellen Fragen sind nämlich eng mit der Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative verknüpft.
Den Weg frei gemacht für die Verhandlungen hatte der Bundesrat Ende April mit dem Entscheid, Kroatische Bürgerinnen und Bürger vorläufig gleichberechtigt zum Arbeitsmarkt zuzulassen, ohne aber das Protokoll zur Erweiterung der Personenfreizügigkeit zu unterzeichnen. In der Folge verabschiedete der EU-Ministerrat das Mandat für Verhandlungen über ein Rahmenabkommen zu den bilateralen Abkommen.
Der Bundesrat hatte das Mandat für die Schweizer Delegation schon letzten Dezember beschlossen. Seither hat der Wind in der Europapolitik gedreht: Mit der Annahme der Masseneinwanderungs-Initiative steht die Personenfreizügigkeit und damit die Zukunft des bilateralen Wegs in Frage.
Dies hat die Ausgangslage für die Verhandlungen völlig verändert. Nach dem Kroatien-Entscheid des Bundesrats hat sich die EU zwar zu Verhandlungen bereit erklärt. Gleichzeitig stellte sie klar, dass ein allfälliges Abkommen erst dann unterzeichnet wird, wenn klar ist, wie es mit der Personenfreizügigkeit weitergeht.
Unsichere Prämissen
In Bern wird derzeit also im luftleeren Raum verhandelt: Die Delegationen können sich zwar auf Lösungen für institutionelle Fragen einigen. Zum Abschluss kommt es aber nur dann, wenn für die Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative eine Lösung vorliegt, mit der auch die EU leben kann.
Der Bundesrat spricht in dem Zusammenhang von Parallelismus: Er verfolge seine Strategie weiter, die aktuellen und künftigen Verhandlungen in verschiedenen europapolitischen Dossiers in ihrer Gesamtheit voranzutreiben und aufeinander abzustimmen, um für die Schweiz das bestmögliche Ergebnis zu erzielen, heisst es in einer Mitteilung vom Donnerstag. Dazu gehören auch Forschungs- und Bildungsprogramme, Kulturförderung oder das Stromabkommen.
Am Donnerstag wurde jedoch einzig und allein über institutionelle Fragen verhandelt, bei welchen die EU auf eine Lösung drängt. Konkret geht es um die Weiterentwicklung des Rechts der bilateralen Abkommen, die Überwachung und Auslegung der Abkommen sowie die Regelung von Streitigkeiten. Der letzte Punkt wird in der Schweiz unter dem Schlagwort «fremde Richter» schon heute heftig diskutiert.
Kontrovers beurteilt wird allerdings bereits die Stossrichtung des Bundesrats. Er stellt sich auf den Standpunkt, das Volk habe sich am 9. Februar zwar für eine Neuordnung der Zuwanderungspolitik, nicht aber gegen den bilateralen Weg ausgesprochen.
Paketlösung möglich
Weil die beiden Bereiche untrennbar miteinander verknüpft sind, könnte am Schluss aus dem vom Bundesrat beschworenen Parallelismus ein Paket werden: Über ein Rahmenabkommen und die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative respektive die Zukunft der Personenfreizügigkeit würde dann in einer einzigen Abstimmung entschieden.
Die Verhandlungen unter der Leitung von Gianluca Grippa vom Auswärtigen Dienst der EU und Henri Gétaz, Chef der Direktion für europäische Angelegenheiten, werden in den nächsten Wochen fortgesetzt. Informationen über Zwischenergebnisse sind nicht zu erwarten. (awp/mc/ps)