Folgen der Zuwanderungsinitiative sorgen vielerorts für rote Köpfe

Bundeshaus Bern

(Foto: djama – Fotolia.com)

Bern – Die Sorgenfalten nach dem Ja zur Zuwanderungsinitiative nehmen weiter zu: Knapp einen Monat nach dem Volksentscheid sehen Wissenschaftler die Attraktivität der Schweiz gefährdet. Die Filmbranche klagt über die drohenden Ausfälle bei Förderungsgeldern. Im Bundeshaus fordern viele eine dringliche Debatte.

Die Bundeshausfraktionen der SVP, SP, CVP-EVP und Grünen wollen noch in der laufenden Frühjahrssession über die Auswirkungen der Zuwanderungsinitiative diskutieren. Die Fraktionen reichten verschiedene dringliche Fragen zur Umsetzung des von Volk und Ständen angenommenen Verfassungsartikels ein.

Es sei «undenkbar», auf eine dringliche Debatte zu verzichten, schrieb die CVP-EVP-Fraktion. «Ein Monat nach der Abstimmung sollte der Bundesrat im Rahmen einer aktuellen Debatte im Parlament gewisse Antworten geben können.» Der Bundesrat kündigte eine Auslegeordnung bisher frühestens im Juni an.

Das Ratsbüro wird am Donnerstag über die eingereichten dringlichen Interpellationen entscheiden. Diese würde am 19. März – am Mittwoch der dritten Sessionswoche – stattfinden. Das Programm der Session sieht für dieses Datum bereits eine «aktuelle Debatte» vor.

«Europapolitisches Vakuum»
Bereits am Dienstagvormittag führte der Nationalrat eine erste Diskussion zu möglichen Folgen der Initiative für Politik und Wirtschaft. Sorgen um die gesellschaftliche und wirtschaftliche Zukunft der Schweiz prägten die über dreistündige Debatte.

Anlass dafür waren die Berichte des Bundesrates zur Aussenpolitik und zur Aussenwirtschaftspolitik. «Bis sich ein Lösungsweg abzeichnet, stehen wir europapolitisch vor einem Vakuum», sagte beispielsweise Tiana Angelina Moser (GLP/ZH). Walter Müller (FDP/SG) stellte fest, dass die Europapolitik innenpolitisch nicht mehr getragen werde.

Viele Votanten sprachen die unsicher gewordene wirtschaftliche Zukunft an. Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann warnte davor, die wirtschaftliche Unsicherheit «zum Rezept heraufzustilisieren».

Keine Patentlösung in Sicht
Auf der Suche nach einer Lösung für das Austauschprogramm Erasmus zeichnet sich derweil keine Zauberlösung ab. Hunderte von Verträgen mit europäischen Partner-Unis müssen neu verhandelt werden. Der Rektor der Universität Zürich warnte am Dienstag vor dem Imageschaden, welcher dem Hochschulstandort Schweiz droht.

Am Montag hatten sich die Mobilitätsbeauftragten der Schweizer Hochschulen mit Vertretern des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) in Bern getroffen, um über die Zukunft des Erasmus-Programms zu beraten.

Die gute Nachricht sei, dass die Hochschulen alle am gleichen Strang zögen, sagte Antoinette Charon Wauters, die Mobilitätsverantwortliche der Universität Lausanne, am Dienstag der Nachrichtenagentur sda. Die schlechte Nachricht sei, dass niemand genau wisse, wie es weitergehe.

Ersatzmassnahmen gefordert
Ebenfalls betroffen vom Ja zur Zuwanderungsinitative, sucht der Dachverband der Schweizerischen Film- und Audiovisionsbranche Cinésuisse sein Glück in der Offensive. Weil die Schweiz zumindest dieses Jahr nicht am Filmförderprogramm der EU teilnehmen kann, solle der Bund den dafür vorgesehenen Kredit für Ersatzmassnahmen für die nationale Filmbranche verwenden, fordert die Filmbranche.

Der Dachverband schickte einen Brief mit dieser Forderung an Bundesrat Alain Berset. Der Ausschluss bedeute für die Schweizer Branche einen unbezahlbaren indirekten Schaden.

Es gehe nun darum, den Schaden in diesem Jahr zu begrenzen, sagte Cinésuisse-Präsident Matthias Aebischer der Nachrichtenagentur sda. Der Bund könnte zum Beispiel die Weiterbildung von Filmschaffenden unterstützen oder den Verleih der Schweizer Filme in Europa fördern.

Verringertes Wachstum
Das Wirtschaftsforschungsinstitut Bakbasel befürchtet negative Folgen über alle Wirtschaftszweige hinweg. Es schraubte nach dem Ja zur Zuwanderungsinitiative seine Konjunkturprognose nach unten. Die von der Initiative ausgehende Unsicherheit werde das Wachstum des Bruttoinlandprodukts (BIP) bis 2015 um 0,3 Prozent verringern. Allerdings hänge vieles vom Umsetzungsprozess ab, teilte Bakbasel mit.

Auch die UBS sichtet Probleme: So könnten Spannungen mit der EU den europäischen Marktzugang einschränken. Stark betroffen wären Kantone, die einen bedeutenden Teil ihrer Wirtschaftsleistung in den EU-Raum exportieren, halten die Ökonomen der Grossbank fest. (awp/mc/ps)

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