Prominentes «Opfer» des ESTV-Prangers: Bismarck-Ur-ur-Enkel Francisco José Ortiz von Bismarck (mit Gattin Elisabet Dutú).
Berlin – Die Schweizer Steuerverwaltung (ESTV) veröffentlicht die Namen verdächtiger ausländischer Bankkunden im Internet. Nach einem Bericht der «Sonntagszeitung» wird die Behörde von Amtshilfegesuchen der Steuerfahnder in diesen Ländern überhäuft und wolle die Betroffenen neuerdings auf diesem Wege darüber in Kenntnis setzen. Im Internet-Portal des Schweizer Bundesblatts, in dem diese Mitteilungen veröffentlicht werden, sind auch Fälle aus den vergangenen Jahren zu finden.
Das Internet-Portal des Schweizer Bundesblatts zeigt frei zugänglich zahlreiche «Mitteilungen der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) – Amtshilfe». Darin wird jeweils unter Nennung des Namens, teilweise des Geburtsdatums und der Staatsangehörigkeit eines Betroffenen mitgeteilt, dass die Schweiz den Steuerfahndern anderer Länder Amtshilfe leisten wird – und dass dagegen innerhalb einer bestimmten Frist Rechtsmittel möglich sind. Genannt werden zudem zahlreiche Firmen mit Namen und Land des Hauptsitzes.
Zu finden sind neben Namen aus Deutschland solche etwa aus Grossbritannien, Frankreich, den Niederlanden, Polen, Tschechien und Russland, aber auch Indien und – in diesem Falle nur mit Initialen – den USA.
Kritik aus Deutschland
Kritik hagelt es aus Deutschland: Die Finanzminister der deutschen Bundesländer Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen betonten am Montag, eine Nennung einzelner Steuerpflichtiger sei nicht mit dem Steuergeheimnis zu vereinbaren. Anders als in der Schweiz sollen in Deutschland die Namen von möglichen Steuersündern geheim bleiben.
Der Stuttgarter Finanzminister Nils Schmid (SPD) sagte der dpa: «Beim Kampf gegen Steuerhinterziehung geht es nicht darum, einzelne an den Pranger zu stellen, sondern darum, Gerechtigkeit im Sinne der grossen Mehrheit der ehrlichen Steuerzahler herzustellen.» Die Schweizer Praxis erscheine zumindest verwunderlich, zumal das Land bisher nicht gerade als Hort der Transparenz bekanntgewesen sei.
Zahlen zu Verfahren, Fällen und auch Vergleichszahlen aus früheren Jahren konnte das Finanzministerium in Stuttgart zunächst nicht nennen.
Nordrhein-Westfalen will die von der Schweiz veröffentlichten Namen möglicher deutscher Steuerbetrüger überprüfen. «Der Weg, den die Schweizer Steuerbehörde jetzt beschreitet, ist in der Tat speziell. Wenn die Schweiz Namen von Bundesbürgern im Zusammenhang mit möglichen steuerlichen Unregelmässigkeiten nennt, müssen und werden unsere Behörden dem aber nachgehen», liess NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) auf dpa-Anfrage mitteilen.
Dass die Veröffentlichungen neue Unruhe bei den Steuerhinterziehern ausgelöst haben, «die alle bisherigen Angebote zur Rückkehr zu gesetzestreuem Verhalten haben verstreichen lassen, ist nicht zu bedauern», sagte Walter-Borjans weiter. «In Deutschland gelten allerdings Steuergeheimnis und Unschuldsvermutung bis zum Beweis des Gegenteils. Das wird sich auch nicht ändern.»
Auch der Grünen-Politiker Sven Giegold sieht in der Veröffentlichung der Namen verdächtiger Bankkunden durch die Schweizer Steuerbehörden einen Verstoss gegen Bürgerrechte. «Das geht einen Schritt zu weit», sagte der Europa-Abgeordnete der «Berliner Zeitung» (Dienstag). Schliesslich seien die Betroffenen nicht verurteilt, betonte Giegold. «Die Schweiz sollte die ausländischen Behörden korrekt und vollständig informieren, statt auf diese Weise in die Bürgerrechte einzugreifen.» (awp/mc/ps)