Schweiz sagt Ja zu Energiegesetz

Schweiz sagt Ja zu Energiegesetz
(Bild: Onidji)

Bern – Das Stimmvolk hat das Energiegesetz angenommen, und zwar deutlicher als erwartet. 58,2 Prozent haben am Sonntag Ja gesagt. Damit wird der Bau neuer Atomkraftwerke in der Schweiz verboten. Erneuerbare Energien und Energieeffizienz werden stärker gefördert.

Insgesamt nahmen rund 1’321’900 Personen das revidierte Energiegesetz an, 949’200 lehnten es ab. Nein sagten vier Kantone, die Kantone Glarus und Schwyz mit rund 56 Prozent, der Atom-Kanton Aargau mit 52 Prozent und der Kanton Obwalden mit knappen 50,2 Prozent.

Am deutlichsten angenommen wurde die Vorlage in den Westschweizer Kantonen. Im Kanton Waadt stimmten 73,5 Prozent Ja, in Genf 72,5 Prozent, in Neuenburg rund 70 Prozent, in den Kantonen Wallis, Freiburg, Jura und Basel-Stadt 63 Prozent, im Wasserkraft-Kanton Graubünden sowie in Zürich 59 Prozent.

Die Zustimmung hatte sich in den Umfragen abgezeichnet, doch war sie im Verlauf des Abstimmungskampfes geschrumpft. In der Schlussphase konnten nun offenbar die Befürworter punkten.

Ausstieg ohne Datum
Somit ist der Ausstieg aus der Atomenergie sechs Jahre nach der Atomkatastrophe von Fukushima beschlossen. Durchgesetzt haben sich der Bundesrat und das Parlament mit einem Ausstieg ohne Datum. Die Initiative der Grünen, die einen Ausstieg bis 2029 forderte, hatten die Stimmenden vergangenen Herbst mit 54 Prozent abgelehnt.

Mit der Energiestrategie wird zwar der Bau neuer Atomkraftwerke verboten, doch dürfen die bestehenden so lange am Netz bleiben, wie die Aufsichtsbehörde sie als sicher erachtet. Ein Teil des Atomstroms soll eingespart, ein weiterer durch Strom aus erneuerbaren Energien ersetzt werden. Das Gesetz enthält entsprechende Ziele.

Mehr Geld für Ökostrom
Bei den Instrumenten setzt die Energiestrategie auf das Bewährte. Photovoltaik- oder Windanlagen werden weiterhin über den Netzzuschlag gefördert. Weil dieser auf 2,3 Rappen erhöht wird, steht dafür in den nächsten Jahren mehr Geld zur Verfügung als bisher.

Gleichzeitig wird die Unterstützung befristet: Neue Einspeisevergütungen werden nur noch bis Ende 2022 bewilligt, Investitionsbeiträge bis 2030. Ein Teil der Gelder ist für Subventionen an bestehende Grosswasserkraftwerke reserviert. Die Betreiber erhalten eine Prämie für Strom, den sie unter den Gestehungskosten verkaufen müssen.

Mehr Geld für Sanierungen
Daneben ist mehr Energieeffizienz angesagt. Der Energieverbrauch pro Kopf soll bemessen am Stand des Jahres 2000 bis 2035 um 43 Prozent sinken, der Stromverbrauch um 13 Prozent. Zentrales Instrument bleibt das Gebäudeprogramm, für das pro Jahr 450 Millionen Franken statt wie heute 300 Millionen Franken aus der CO2-Abgabe eingesetzt werden können.

Energetische Gebäudesanierungen werden auch mit steuerlichen Anreizen stärker gefördert. Ferner gelten strengere Regeln für Autoimporteure, und der Bundesrat kann Vorgaben zur Einführung intelligenter Regelsysteme beim Endverbraucher machen.

Sieg für Leuthard
Das Ja zu diesem Paket ist ein Sieg für Energieministerin Doris Leuthard, wohl der bedeutendste ihrer Karriere. Eine Niederlage muss die SVP einstecken, die das Referendum ergriffen hatte. Für die Partei setzt sich damit eine Serie fort: Zuletzt hatte sie erfolglos Referenden gegen die erleichterte Einbürgerung und das neue Asylgesetz ergriffen. Auch mit ihrer Durchsetzungsinitiative war sie gescheitert.

Bei der Energiestrategie erhielt die SVP Unterstützung von Teilen der FDP und der Wirtschaft. Für eine Nein-Mehrheit reichte es dennoch nicht. Die Warnungen der Gegner vor kaltem Duschen und horrenden Kosten prägten zwar den Abstimmungskampf, vermochten aber offenbar keine breite Verunsicherung auszulösen.

Streit um Kosten
Die Behauptungen von Gegnern und Befürwortern gingen in diesem Abstimmungskampf so stark auseinander wie selten. Fest steht, dass der höhere Netzzuschlag in den nächsten fünf Jahren für einen Haushalt mit vier Personen zu zusätzlichen Kosten von rund 40 Franken im Jahr führt.

Aus Sicht der Gegner ist das nur die halbe Wahrheit. Langfristig beliefen sich die Kosten für einen Vier-Personen-Haushalt auf jährlich 3200 Franken, behaupteten sie. Zur Begründung verwiesen sie auf die im Gesetz verankerten Ziele. Um diese zu erreichen, werde es zusätzliche Massnahmen brauchen. Die Befürworter sprachen von einer «Lügenkampagne».

Prognosen schwierig
Die längerfristigen Kosten sind kaum zu beziffern. Zum einen würde ein Teil der Kosten so oder so anfallen, etwa für die Erneuerung der Stromnetze. Zum anderen ist die technologische Entwicklung nicht über Jahrzehnte abzuschätzen.

Ausserdem ist unklar, mit welcher anderen Strategie die nun beschlossene verglichen werden sollte. Da die heutigen AKW das Ende ihrer Lebensdauer erreichen werden, kann der Status quo nicht als Referenz dienen. Und neue AKW sind inzwischen schon allein aus wirtschaftlichen Gründen kein Thema mehr.

Weitere Entscheidungen folgen
Mit dem Ja vom Sonntag sind die Weichen gestellt, doch werden weitere energiepolitische Entscheide folgen. Bereits in der kommenden Sommersession befasst sich der Nationalrat mit zusätzlichen Massnahmen zur Unterstützung der Wasserkraft. Ein nächster Meilenstein wird die Revision des CO2-Gesetzes sein.

Daneben haben die Diskussionen über neue Marktmodelle begonnen, welche die Versorgungssicherheit gewährleisten sollen. Kraftwerksbetreiber könnten künftig dafür entschädigt werden, dass sie Kapazitäten bereithalten. (awp/mc/upd/ps)

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