Schweiz setzt über 200 weitere Personen und Organisationen auf Sanktionsliste – Armee hilft bei Unterbringung von Flüchtlingen
Bern – Die Schweiz hat im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine weitere 197 Personen und neun Unternehmen aus Russland auf die Sanktionsliste gesetzt. Dazu gehören unter anderen die beiden Oligarchen Roman Abramowitsch und Andrej Melnitschenko.
Für die sanktionierten Personen gelten Finanz- und Reiseeinschränkungen, wie das Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) am Mittwoch mitteilte. Ihre Vermögen in der Schweiz müssen gesperrt werden. Die betroffenen Unternehmen würden den Finanzsanktionen unterstellt.
Melnitschenko soll nach Medienangaben in St. Moritz wohnhaft sein. Gemäss der Sanktionsliste des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) ist er der Haupteigner des Düngemittelkonzerns EuroChem und des Kohle-Unternehmens Suek.
Melnitschenko gehöre zu den einflussreichsten russischen Geschäftsleuten mit engen Beziehungen zur Regierung. Er will sich nach Angaben seines Sprechers gegen die EU-Sanktionen zur Wehr setzen.
Von Putin profitiert
Der 55-jährige Abramowitsch ist Eigentümer des britischen Fussballclubs FC Chelsea und einer der grössten Aktionäre der Stahl-Gruppe Evraz. Das Unternehmen ist eine der wichtigsten Steuerzahlerinnen in Russland.
Abramowitschs Vermögen wurde vom US-Magazin «Forbes» auf zuletzt 7,2 Milliarden US-Dollar geschätzt. Der Milliardär habe enge Beziehungen zum russischen Präsidenten Wladimir Putin und damit einen privilegierten Zugang zum Kreml-Chef.
Auch die neun zusätzlichen sanktionierten Unternehmen würden den Finanzsanktionen unterstellt, hiess es vom WBF. Dazu gehört zum Beispiel Rosneft Aero, das den Flughafen Simferopol auf der von Russland 2014 völkerrechtswidrig annektierten Krim mit Benzin beliefere.
Die Schweiz schloss sich mit dem Schritt – gestützt auf das Embargogesetz – den Massnahmen der EU vom Dienstag an. In Kraft traten die Änderungen am Mittwochmittag.
Armee hilft bei Unterbringung
Zur Unterbringung von Kriegsflüchtlingen stellt die Armee auf Ersuchen des Staatssekretariats für Migration (SEM) vorübergehend 1800 Plätze in zwei ihrer Kasernen zur Verfügung. In Bülach im Kanton Zürich sind es 500 und in Bure im Jura 1300 Plätze.
An beiden Orten wurden bereits Menschen aufgenommen, weitere sollten noch am Mittwoch folgen. Die Unterbringung in Bure endet am 27. März. Bisher registrierte das SEM 6482 Geflüchtete aus der Ukraine. 2840 von ihnen sind privat untergebracht.
In der dringlichen Nationalrats-Debatte über den Krieg in der Ukraine wiederholte Justizministerin Karin Keller-Sutter, der Bund rechne bis Juni mit 35’000 bis 50’000 Flüchtlinge aus dem von Russland angegriffenen Land. Der Kanton Bern will nun in einem ersten Schritt möglichst viele Menschen in kollektiven Unterkünften unterbringen.
Integration in den Arbeitsmarkt
Keller-Sutter traf sich am Mittwoch in Bern zudem mit den Sozialpartnern. Ziel ist laut dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement (EJPD), Flüchtlinge aus der Ukraine bei ihrer Integration in den Schweizer Arbeitsmarkt vor Missbrauch und Sozialdumping zu schützen.
Aus Sicht des Bundesrates ist der Zugang zur Erwerbstätigkeit zentral, damit die geflüchteten Personen während ihres Aufenthalts in der Schweiz am sozialen und beruflichen Leben teilnehmen können. Es soll ihnen ein strukturierter Alltag, finanzielle Unabhängigkeit und der Erhalt ihrer beruflichen Qualifikationen im Hinblick auf eine Rückkehr in ihre Heimat ermöglicht werden, wie es weiter hiess.
Dank dem Schutzstatus S können Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine ohne Wartefrist eine Erwerbstätigkeit in der Schweiz aufnehmen.
Mehr Geld für die Armee
Während der Debatte im Nationalrat skizzierten die Parteien, welche Lehren die Schweiz aus der Krise ziehen soll. Der Bundesrat erhielt mehrheitlich gute Noten. Beschlüsse fasste der Rat nicht, er besprach elf Interpellationen aller sechs Fraktionen im Parlament. Gleich vier Bundesräte waren bei der Debatte anwesend.
Neben teils emotionalen, stets unterstützenden Worten an die Adresse der ukrainischen Bevölkerung stellten die Rednerinnen und Redner verschiedene Forderungen auf. So ging es unter anderem um eine Aufstockung der Mittel für die Armee, um Änderungen bei der Sanktionspolitik und um mehr Hilfe für Geflüchtete – Themen, die bereits in den vergangenen Tagen medial platziert worden waren.
Waisenkinder nach Kandersteg
30 ukrainische Waisenkinder und zehn Betreuerinnen und Betreuer finden in den nächsten Tagen eine temporäre Bleibe in der Gemeinde Kandersteg im Berner Oberland. Das gaben am Mittwoch der Vizepräsident der aussenpolitischen Kommission des Nationalrats, Hans-Peter Portmann, und der Kandersteger Gemeinderatspräsident René Maeder bekannt.
Portmann hatte zuvor vor den Medien von 160 Waisenkindern gesprochen, die in Kandersteg Aufnahme fänden. Maeder sagte aber auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA, die Gemeinde Kandersteg sei bereit, eine erste Gruppe von 40 Personen aufzunehmen. Wo die weiteren 120 untergebracht würden, sei noch offen. (awp/mc/pg)