Bern – Der Bundesrat will neue Sanktionen der EU gegen Russland und Belarus übernehmen. Im Wesentlichen handelt es sich um das fünfte Sanktionspaket der EU. Ausgeklammert hat der Bundesrat aber Verbote für Schifffahrt und Strassentransport.
Der Bundesrat entschied am Mittwoch, fast alle neuen Massnahmen, welche die EU am Freitag gegenüber Russland und Belarus verabschiedet hatte, zu übernehmen. Nach Angaben des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) betreffen die neu zu übernehmenden Sanktionen Güter und Finanzen.
Zum einen ist es ein Importverbot für Kohle und für weitere Güter, die Russland wichtige Einnahmen bringen. Das WBF nennt hier unter anderem Holz, Zement, Meeresfrüchte und Wodka. Weiter kommt ein Exportverbot für Kerosin und andere Güter hinzu, die zur Stärkung der industriellen Kapazitäten Russlands beitragen können. Gemeint sind etwa Industrieroboter und gewisse Chemikalien.
Parmelin: «Für Wirtschaft spürbar»
Übernehmen will die Schweiz auch von der EU beschlossene Verbote im Bereich der Vergabe öffentlicher Aufträge sowie neue Finanzsanktionen – besonders im Hinblick auf Trusts. Die finanzielle Unterstützung russischer öffentlicher Einrichtungen wird untersagt.
Eine Ausnahme macht der Bundesrat allerdings beim fünften Sanktionspaket. Die von der EU erlassenen Transportverbote soll die Schweiz nicht übernehmen. Die EU untersagt Warentransporte durch russische oder belarussische Unternehmen auf ihrem Gebiet. Russische Schiffe dürfen keine europäischen Häfen mehr anlaufen.
Diese Massnahmen machten aus geografischen Gründen für die Schweiz keinen Sinn, sagte Wirtschaftsminister Guy Parmelin am Mittwoch in Bern vor den Medien. Russische Strassentransporte könnten gar nicht mehr ins Land gelangen. Und im Rhein seien russische Schiffe ohnehin nicht zugelassen.
Die zur Anwendung der Sanktionen nötigen Verordnungsanpassungen werden vom WBF nun vorbereitet. Die neuen Sanktionen hätten Auswirkungen auf die Schweizer Wirtschaft, betonte Parmelin. Diese Folgen dürften sich in einem insgesamt erträglichen Rahmen bewegen. Einzelne Branchen und Betriebe könnten aber stärker betroffen sein.
Zwei Töchter von Putin
Bereits ab Mittwoch um 18.00 Uhr gelten hingegen Reise- und Finanzsanktionen für 217 weitere Personen – darunter zwei Töchter des russischen Präsidenten Wladimir Putin – und 18 Unternehmen. Die Sanktionsliste der Schweiz entspreche damit vollständig jener der EU, sagte Parmelin.
Ein grosser Teil der neu gelisteten Personen sind laut Parmelin Politiker und Politikerinnen aus Donezk und Luhansk, die übrigen es Personen aus Politik, Wirtschaft, Kommunikation und Militär sowie Oligarchenkreisen und deren Familienmitglieder. Die meisten der 18 Betriebe arbeiteten in den Sparten Rüstung und Hightech.
Ob sich die beiden Töchter von Putin derzeit in der Schweiz aufhalten oder ob sie hierzulande – auch unter anderen Namen -Häuser oder Vermögen besitzen, lässt sich laut Erwin Bollinger, Leiter des Leistungsbereichs Bilaterale Wirtschaftsbeziehungen beim Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), nicht sagen.
Nach Angaben der US-Regierung – die USA sanktionieren Putins Töchter ebenfalls – ist die eine Tochter Katerina Wladimirowna Tichonowa eine technische Führungskraft, die mit ihrer Arbeit die russische Regierung und die Verteidigungsindustrie unterstützt.
Die zweite, Maria Wladimirowna Woronzowa, leitet nach Angaben aus den USA staatlich finanzierte Programme, die vom Kreml mit Milliardensummen für die Genforschung gefördert und von Putin persönlich überwacht werden. Über die beiden Töchter ist wenig bekannt. Tichonowa ist 1986 geboren, ihre ältere Schwester 1985.
Diskussion über thematische Sanktionen
Nicht übernommen hat die Schweiz bisher thematische Sanktionen. Sanktionen dieser Art werden länderübergreifend angeordnet und können sich beispielsweise auf Chemiewaffen oder die Verletzung von Menschenrechten beziehen. Der Bundesrat müsse sich so bald wie möglich mit dem Thema befassen, sagte Parmelin am Mittwoch.
Es seien Querschnitt-Sanktionen, sagte Parmelin zu einer Journalistenfrage. Die Folgen solcher Massnahmen müssten genau geprüft werden. «Es ist ein komplexes Thema.» (awp/mc/ps)