Schweiz vor Bundesratsentscheid ohne klare Perspektive

Schweiz vor Bundesratsentscheid ohne klare Perspektive
Zur Aufhebung der Maskenpflicht an fast allen Orten haben die Schweizerinnen und Schweizer ein ambivalentes Verhältnis. (Photo by engin akyurt on Unsplash)

Bern – Die Schweiz befindet sich vor den nächsten bundesrätlichen Corona-Entscheiden bezüglich klarer Perspektiven im Niemandsland. Für klare Ansagen ist die Lage laut BAG nach wie vor zu fragil. Die Zahlen der neuen Fälle sinken derweil beharrlich Richtung Tausendergrenze und die Impfkadenz hat merklich angezogen.

Pro Tag wurden in der vergangenen Woche durchschnittlich 18’219 Impfungen durchgeführt. Insgesamt waren es laut dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) in diesen sieben Tagen über 127’000 Impfungen. Im Vergleich zur Woche davor stieg die Impfkadenz um 29 Prozent.

Insgesamt wurden bis am Sonntag 541’231 Impfungen vorgenommen. Aktuell sind damit pro 100 Einwohner in der Schweiz und in Liechtenstein 6,3 Impfdosen verabreicht worden. Rund 100’000 Personen in der Schweiz haben bereits zwei Impfungen gegen das Coronavirus erhalten, wie Virginie Masserey, Leiterin Sektion Infektionskontrolle beim BAG, am Dienstag vor den Medien sagte.

Der Behörde sind am Dienstag innerhalb von 24 Stunden 1075 neue Coronavirus-Ansteckungen gemeldet worden. Gleichzeitig registrierte das BAG 35 neue Todesfälle und 62 Spitaleinweisungen. Die Positivitätsrate für die vergangenen zwei Wochen lag bei 5,3 Prozent. Die Reproduktionszahl R, die angibt, wie viele Personen eine infizierte Person im Durchschnitt ansteckt, lag vor rund zehn Tagen bei 0,88. Mutierte Varianten wurden bisher in 6230 Fällen nachgewiesen.

«Gar nicht so schlecht»
«Die Schweiz macht es gar nicht so schlecht», begann Patrick Mathys, stellvertretender Leiter Übertragbare Krankheiten im BAG, am Dienstag seine Ausführungen vor den Medien. Man dürfe einigermassen optimistisch sein. So sei etwa die erwartete wöchentliche Verdoppelung der Ansteckungen mit mutierten Coronaviren bisher nicht eingetreten.

Trotzdem sei eine Trendumkehr bei den Fallzahlen wegen der Varianten nicht auszuschliessen. Er erwarte, dass die Mutationen in nicht allzu ferner Zukunft dominant werden. Insgesamt würden die Fallzahlen nicht im gewünschten Ausmass sinken.

Für klare Ansagen und Perspektiven für die Bevölkerung sei es deshalb zu früh, sagte Masserey. «Wir würden gerne solche Perspektiven geben können.» Aber es gebe zu viele Unsicherheiten, die Lage stelle sich zu wenig eindeutig dar.

«Wir wissen noch immer vieles nicht, oder nicht sicher», ergänzte Linda Nartey, Berner Kantonsärztin und Vizepräsidentin der Vereinigung der Kantonsärztinnen und Kantonsärzte. Auch wenn es niemand mehr hören wolle: es brauche weiterhin Geduld und Solidarität bei den Massnahmen, um diese Pandemie erfolgreich bekämpfen zu kommen – mit dem Ziel, «hoffentlich bis zum Sommer hin eine bessere Situation zu bekommen».

Gewerbe hat die Nase voll
Für den Schweizerischen Gewerbeverband (SGV) scheint die Lage immerhin so klar, dass er am Dienstag die sofortige Lockerung des Coronavirus-bedingten Lockdowns mit der Zulassung von Terrassen- und Outdoorbetrieben in der Gastronomie sowie von Outdoorverkauf im Detailhandel verlangte. Per 1. März 2021 forderte er überdies die komplette Öffnung der Wirtschaft.

Flankierend dazu müssten die Corona-Tests intensiviert und ausgeweitet werden, um die Ansteckungsketten zu unterbrechen. Das vollständige Impfprogramm müsse per Ende Juni 2021 abgeschlossen sein.

«Interne Zahlen des Bundesamtes für Gesundheit BAG zeigen, dass weniger als 5 Prozent aller Ansteckungen nachvollziehbar innerhalb der Wirtschaft erfolgen. Trotzdem befindet sich die Wirtschaft im Lockdown», liess sich SGV-Direktor Hans-Ulrich Bigler zitieren.

Auch der Zürcher Finanzdirektor Ernst Stocker (SVP) forderte gleichentags in einem Zeitungsinterview vom Bundesrat einen Plan zum Ausstieg aus den Corona-Massnahmen. Die Massnahmen seien von Anfang an darauf ausgerichtet gewesen, eine Überlastung des Gesundheitswesens zu vermeiden. Heute seien die Zahlen gut.

Unbeirrte Fasnächtler in Einsiedeln SZ
Gewissermassen schon ausgestiegen sind am Montagmorgen rund 1000 Fasnächtler in Einsiedeln SZ. Sie trafen sich trotz Verbot zum traditionellen Sühudiumzug. Die Polizei schritt ein und verteilte rund 100 Bussen. Erst dann löste sich die Veranstaltung auf. Am Abend wurden die Ordnungshüter sogar angegriffen, als sie eine Fasnachts-Ansammlung von rund 50 Personen auflösen wollten. (awp/mc/ps)

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