Schweizer Arbeitsmarkt laut Avenir-Suisse wegen Digitalisierung reformbedürftig
Zürich – Der Schweizer Arbeitsmarkt leidet laut einer Studie des Think-Tanks Avenir Suisse bislang nicht unter der Digitalisierung. Trotzdem ergebe sich aufgrund der neuen Arbeitswelt Reformbedarf beim Arbeitsrecht und den Sozialversicherungen. Neben einem neuen Status für Selbständige fordern die Studienautoren auch die Streichung der gesetzlichen Ruhezeiten und eine vereinfachte Arbeitszeiterfassung.
«Die ‹Robokalypse› hat nicht stattgefunden», sagte Peter Grünenfelder, Direktor von Avenir Suisse am Mittwoch vor den Medien. Wie der durch die Industriealisierung stattgefundene Wandel in der Textil- oder Agrarwirtschaft, führe auch die Digitalisierung nicht zwingend zu Arbeitslosigkeit und Armut, sondern bringe einfach neue Arbeitsformen mit sich, so Grünenfelder.
Dies zeige sich konkret anhand der weiterhin tiefen Erwerbslosenquote und des stabilen Anteils an Telearbeit- und Selbständigkeit von 5,1% bzw. 7,6%. Ebenso sei der Anteil der unbefristeten Arbeitsverhältnisse mit 91,1% auch im letzten Jahr konstant geblieben.
Flexiblere Arbeitszeiten
Auch sei die Entqualifizierung des Mittelstandes bisher ausgeblieben. Der Anteil von Höherqualifizierten habe auf Kosten von Mittelqualifizierten zugenommen, führt der Studienautor Marco Salvi weiter aus. «Heute verschwinden zwar jährlich etwa 15% der Arbeitsplätze. Es kommen aber mindestens ebenso viele Arbeitsplätze hinzu», ergänzt er.
Daher gebe es keinen Anlass, die Regulationsschrauben für Arbeitgeber und Arbeitnehmer weiter anzuziehen, sind sich die Experten einig. Avenir Suisse fordert hingegen eine Höchstarbeitszeit auf Jahresbasis und die Streichung der gesetzlich obligatorischen Ruhezeiten. Für Führungskräfte und Fachkräfte soll zudem die wöchentliche Höchstarbeitszeit, das Arbeitsverbot an Sonntagen und die obligatorische Arbeitszeiterfassung fallen, wie Tibère Adler, Direktor von Avenir Suisse in der Romandie, ausführt.
Neuen Status für Selbständige
Den grössten Anpassungsbedarf sehen die Think-Tank-Experten aber in der beruflichen Vorsorge für Selbstständige. Zur Zeit seien Beschäftigungsformen wie das sogenannte «Crowdworking», das beispielsweise Fahrer von Uber-Taxis einschliesst, in der Schweiz volumenmässig noch vernachlässigbar.
Da es aber zukünftig zu einem starken Anstieg dieser Beschäftigungsformen kommen dürfte, soll die Einführung des Status eines «selbständigen Angestellten» Abhilfe schaffen. Damit wolle man die bestehenden rechtlichen Unsicherheiten solcher Beschäftigungsformen reduzieren, so Adler. Daher müsse die Sozialversicherung auch Kleinpensen und unregelmässige Arbeitsverhältnisse berücksichtigen, um Unfälle oder Krankheit besser abzudecken, resümiert Grünenfelder. (awp/mc/ps)