Aussenhandel hat sich noch nicht am Coronavirus angesteckt
Bern – Die Coronavirus-Krise hat den Schweizer Aussenhandel zum Jahresauftakt nicht tangiert – wohl noch nicht. Gerade die Uhrenindustrie muss sich aber nach Ansicht von Experten warm anziehen.
Die Schweizer Exporteure sind mit positiven Vorzeichen ins Jahr 2020 gestartet. Im Vergleich zum Dezember 2019 kletterten die Ausfuhren saisonbereinigt um 4,6 Prozent auf 19,6 Milliarden Franken. Real – also preisbereinigt – war der Anstieg mit 1,7 Prozent etwas geringer.
Nach drei Monaten mit einer rückläufigen Entwicklung legten die Exporte somit wieder zu. Die Einfuhren stiegen um 0,5 Prozent und erreichten 16,8 Milliarden (real: -1,8%). Damit resultierte laut den Zahlen der Eidgenössischen Zollverwaltung (EZV) vom Donnerstag in der Handelsbilanz ein Überschuss von 2,81 Milliarden Franken.
Ein Drittel weniger nach China
Ins Auge stechen die um ein Drittel gefallenen Exporte nach China. Laut Matthias Pfammatter von der EZV hat dies aber kaum mit dem Coronavirus zu tun, sondern eher mit dem chinesischen Neujahresfest.
Während der «goldenen Woche» kommt das Land jeweils mehr oder weniger zum Stillstand, weil einfach jeder Ferien hat. Dieses Jahr begannen die Festivitäten am 25. Januar.
«Wir haben bereits im früheren Jahren im Januar zweistellige Rückgänge nach China im Vergleich zum Vormonat festgestellt», erklärte Pfammatter. Zudem habe die Messlatte sehr hoch gelegen: Im Vormonat hatten die Lieferungen ins Reich der Mitte noch um 13,8 Prozent zugelegt.
Pfammatter sprach von einem «generell gelungenen» Jahresauftakt, liege doch das Niveau der Exporte fast eine Milliarde Franken über dem Niveau vom Januar 2019.
Die Schlagzahl der Meldungen rund um die Ausbreitung des Coronavirus hat erst gegen Ende Januar an Geschwindigkeit aufgenommen, mit negativen Spuren in den Handelsstatistiken rechnen Ökonomen daher erst ab Februar.
Pfammatter von der EZV mag indes nicht über die potenziellen Auswirkungen spekulieren: «Das Ausmass der Folgen ist heute noch schwer abzuschätzen.»
Uhrenverband warnt
Konkreter wurde der Verband der Schweizerischen Uhrenindustrie: Die Exporteure von Zeitmessern «Made in Switzerland» waren «noch nicht» von der Coronavirus-Epidemie in China betroffen, teilte der Verband mit.
Der Start ins Jahr ist auch den «Horlogers» gelungen: Im Januar 2020 wurden Uhren im Wert von 1,79 Milliarden Franken exportiert. Das sind nominal 9,4 Prozent mehr als im Vorjahr – und deutlich mehr, als Experten erwartet hatten.
Nach China etwa wurden Uhren im Wert von 161,2 Millionen Franken verschifft – 6,9 Prozent mehr als im Vorjahr. Das Problemkind der Uhrenhersteller heisst im Moment noch Hongkong. Die Ausfuhren in die chinesische Sonderverwaltungszone verzeichneten mit minus 25 Prozent auf 183,9 Millionen den vierten Monat in Folge einen sehr starken Rückgang.
Denn seit Demonstrationen und Ausschreitungen die Berichterstattung aus Hongkong prägen, reisen immer weniger Touristen in die Shoppingmetropole. Vor allem kaufwillige Chinesen meiden Hongkong – wenn sie überhaupt noch einreisen dürfen. Dafür kauften sie – wie auch im Januar gesehen – vermehrt die Schweizer Uhren im eigenen Land.
Doch die chinesische Regierung hat zur Eindämmung des Virus zuletzt drastische Massnahmen ergriffen, die weitere Folgen für die Tourismusströme und damit auch für die Verkäufe haben dürften.
Uhren repräsentieren die drittgrösste Warengruppe der Exportstatistik, hinter den chemisch-pharmazeutischen Produkten (+8,6% auf 10,0 Mrd) und «Maschinen und Elektronik» (-1,5% auf 2,6 Mrd).
Erinnerungen an Sars
Die Auswirkungen des Coronavirus dürften laut Experten erst in den Exportdaten von Februar und März sichtbar werden. «Von der Logik her dürften zumindest im Februar praktisch keine Uhrenexporte mehr nach China und Hongkong erfolgen», erklärte etwa ZKB-Analyst Patrik Schwendimann mit Verweis auf die leergefegten Strassen und Uhrenläden in vielen Regionen. Der kurzfristige Einbruch der Uhrenexporte könne damit schnell 30 Prozent oder mehr betragen.
Der Ausbruch des Coronavirus weckt wohl ungute Erinnerungen bei den Uhrenherstellern: Vor 17 Jahren hatte der Ausbruch der Atemwegsinfektion Sars in Asien die Branche hart getroffen. Die Uhrenexporte waren im Jahr 2003 um 4,4 Prozent rückläufig. (awp/mc/ps)