Bern – Die Schweizer Exportwirtschaft hat zuletzt markant an Schwung verloren. Die Unternehmen haben im dritten Quartal zum ersten Mal seit anderthalb Jahren wieder weniger Waren ins Ausland verkauft. Manche Experten sprechen von einer Trendwende.
Zwischen Juli und September gingen die Ausfuhren gegenüber dem Vorquartal um 2,9 Prozent zurück. Real, also preisbereinigt, betrug das Minus 2,3 Prozent. Auch innerhalb des Quartals zeigte der Trend abwärts, wie die Septemberzahlen belegen (-2,1% gegenüber August).
Die Eidgenössische Zollverwaltung (EZV), welche die Zahlen am Donnerstag publizierte, relativierte zwar den Rückgang. So sei im Vorquartal ein Rekordwert verzeichnet worden, und die Exporte befänden sich somit nach wie vor auf einem sehr hohen Niveau. Gleichwohl wurde eingeräumt, dass es sich auf Quartalssicht um den ersten Rückgang nach «eineinhalb Jahren fortwährendem Wachstum» handelt.
Klima hat sich verschlechtert
«Es ist sehr gut möglich, dass wir hier eine Trendwende sehen», meinte denn auch Raiffeisen-Ökonom Domagoj Arapovic gegenüber AWP. Er bezeichnet den Rückgang im dritten Quartal als «signifikant».
Der Grund für die Abschwächung ist laut Experten das schlechtere weltwirtschaftliche Umfeld und der stärkere Franken. Gemäss VP-Bank-Chefvolkswirt Thomas Gitzel gilt dies insbesondere für Deutschland, wo die Unternehmen in den letzten Monaten überraschend wenige neue Aufträge an Land gezogen hätten. Deutschland ist bekanntlich der mit Abstand wichtigste Abnehmer von Produkten «made in Switzerland».
Tatsächlich nahmen im dritten Quartal vor allem die Ausfuhren nach Europa ab (-4,3%). Die Verkäufe nach Asien gingen derweil nur um 0,8 Prozent zurück, jene nach Nordamerika nahmen sogar minimal zu (+0,4%).
Handelsstreit wirkt indirekt
Der Handelsstreit hatte also noch keine starken Effekte auf den Warenaustausch mit den USA. «Die direkten Effekte des Handelskonflikts sind gering», sagte UBS-Ökonom Alessandro Bee dazu. Indirekt seien sie allerdings bereits spürbar – nicht zuletzt beim Frankenkurs, der wegen der globalen Unsicherheit wieder angezogen habe. Ein starker Franken ist für die Schweizer Exportwirtschaft schädlich.
Gitzel von der VP Bank befürchtet, dass «etwaige Folgen» des Handelsstreits im nächsten Jahr deutlichere Bremsspuren bei den Exporten hinterlassen werden. Er geht auch deshalb von einer anhaltend schwächeren Exportdynamik aus.
Ähnlich sehen dies Arapovic von Raiffeisen und Bee von der UBS, welche für die Schweiz nicht zuletzt wegen der nachlassenden Exporte von einer schwächeren Konjunkturentwicklung im zweiten Halbjahr ausgehen. «Für die nächsten Jahre hoffen wir, dass der Konsum anzieht und die Exporte als Wachstumsmotor ablösen wird», fügte Bee an.
Weniger Uhren abgesetzt
Der Abschwung bei den Exporten im dritten Quartal erfolgte auf breiter Basis. Bei den Uhren betrug das Minus etwa 5,2 Prozent, womit die lange anhaltende Erholung zum Stillstand kam. Auch bei den chemisch-pharmazeutischen Produkten (-3,9%) sowie bei Maschinen und Elektronik (-2,4%) zeigten die Werte abwärts.
Rückläufig waren im dritten Quartal auch die Importe (-1,5%), weshalb die Handelsbilanz gleichwohl einen Überschuss von 3,5 Milliarden Franken zeigt. Abgesehen von Nordamerika (+5,2%) verringerten sich die Einfuhren aus den beiden anderen wichtigen Beschaffungsmärkten. Aus Europa importierte die Schweiz 3,5 Prozent weniger Waren, aus Asien 4,1 Prozent weniger. (awp/mc/ps)