Schweizer Exportwirtschaft unter Druck: Starker Franken und schwache Nachfrage als doppelte Herausforderung

Schweizer Exportwirtschaft unter Druck: Starker Franken und schwache Nachfrage als doppelte Herausforderung
Jan Möllmann, CEO Allianz Trade in der Schweiz. (Foto: Allianz Trade)

Wallisellen – Der Allianz Trade Export Forecast notiert Anfang Oktober auf dem Stand von -0.12 Punkten. Vor sechs Monaten lag der Indikator noch 0.47 Punkte im Minus. Das Barometer nähert sich damit wieder dem langfristigen nominellen Trendwachstum von jährlich 4 Prozent an. Das sind gute Aussichten für die Schweizer Exportindustrie, die sich im ersten Halbjahr 2024 als relativ robust erwiesen hat. Allerdings ziehen in der globalen Industrie erneut Gewitterwolken auf.

Der Allianz Trade Export Forecast konnte sich vom Mehrjahrestief von -1.40 Punkten Ende 2022 lösen und nähert sich nun der Null-Punkte-Marke an. Dies legt nahe, dass sich die Exporte in sechs bis zwölf Monaten entlang des langjährigen Mittelwerts von rund 4 Prozent entwickeln sollten. Im Jahresverlauf sind die Schweizer Exporte gegenüber der Vorjahresperiode um rund ein Prozent gestiegen. Zudem zeigt die Schweizer Industrie im September 2024 erste Anzeichen einer Stabilisierung trotz anhaltender Herausforderungen im internationalen Umfeld. Der weitere Konjunkturverlauf hängt massgeblich von der weltwirtschaftlichen Entwicklung ab.

Allianz Trade Export Forecast nähert sich Langfristtrend
«Es ist erfreulich, dass der Allianz Trade Export Forecast sich dem langfristigen Trendwachstum von 4 Prozent pro Jahr nähert, was gute Aussichten für die Schweizer Exportindustrie signalisiert. Offenbar sind die meisten Schweizer Exportunternehmen gut aufgestellt, denn in wichtigen Weltregionen schwächelt die Industrie», bemerkt Jan Möllmann, CEO Allianz Trade Switzerland.

Das internationale Umfeld bleibt anspruchsvoll
Die globale Industrieproduktion befindet sich weiterhin im Abschwung. Der exportgewichtete Einkaufsmanagerindex der wichtigsten Exportdestinationen der Schweiz liegt mit 47.6 Punkten in der Schrumpfungszone. Auch der J.P. Morgan Global Manufacturing PMI weist auf eine anhaltende Schwäche des globalen Fertigungssektors hin und fiel im September auf 48.8 Punkte. Dies ist der dritte Monat in Folge mit einer Verschlechterung der globalen Geschäftsbedingungen und markiert den stärksten Rückgang seit fast einem Jahr. Die Schwäche war in allen Industriesektoren spürbar. Sowohl die Zwischen- als auch die Investitionsgüterindustrie verzeichneten Rückgänge in der Produktion. Selbst im Konsumgütersektor, der noch ein geringes Wachstum aufwies, blieb die Expansion bestenfalls moderat.

Finanzmärkte bisher solide
Die Aktienmärkte präsentieren sich weiterhin robust, insbesondere Technologie- und Grossunternehmen erreichen neue Höchststände. «Tiefere Zinsen befeuern die Aktienmärkte. Die konjunkturellen Bremsspuren und der nachlassende Inflationsdruck veranlassen Notenbanken, Zinsen zu senken», so Jasmin Groeschl, Senior Ökonomin für Europa bei Allianz Trade. Die Schweizerische Nationalbank hat eine Vorreiterrolle eingenommen und bereits im Frühjahr als erste grössere Notenbank die Zinswende eingeleitet. Die Europäische Zentralbank und die US-Notenbank folgten später im Jahr. Allianz Trade erwartet, dass nach einem realen Wachstum von 0.8 % im Jahr 2023 ein Wirtschaftswachstum von 1.4 % im Jahr 2024 und 2025 1.5 % erreicht werden wird. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) rechnet in diesem Jahr mit einem realen BIP-Zuwachs von 1.6 % und ist damit deutlich optimistischer als die Vorhersage von Allianz Trade. Dafür rechnet es für das Jahr 2025 mit einem Wachstum von nur 1.2 %.

Inflation in der Schweiz sinkt schneller als erwartet
Im Jahr 2023 betrug die Inflationsrate in der Schweiz 2.1 %, beeinflusst durch steigende Preise inländischer Dienstleistungen, während Energiepreise nur noch gering zur Inflation beitrugen. Im ersten Quartal 2024 fiel die Inflation auf 1.2 %, stieg im zweiten Quartal leicht auf 1.4 % und sank im dritten Quartal wieder auf 1.1 %. Für das Gesamtjahr 2024 wird eine Inflationsrate von 1.3 % prognostiziert. Haupttreiber der Teuerung sind Mieten und die hohe Dienstleistungsinflation. Bei einem Lohnwachstum von etwa 1.5 % werden Arbeitskosten weiterhin die Dienstleistungspreise beeinflussen. Gleichzeitig unterstützen sinkende Waren- und Energiepreise den Rückgang der Teuerung, wodurch Importgüter und -dienstleistungen trotz der nominalen Aufwertung des Frankens günstiger werden. Ein starker Franken birgt jedoch Risiken für die Exportwirtschaft, da er Exporte verteuert, während die globale Nachfrage aufgrund von Unsicherheiten schwach bleibt. Für 2025 erwartet Allianz Trade eine Inflationsrate von 1.2 %.

Robuste Schweizer Wirtschaft
Die Schweizer Wirtschaft hat sich im Jahresverlauf als relativ robust erwiesen. Die Exporte stiegen in den ersten neun Monaten gegenüber der Vorjahresperiode um 0.9 %. In den vergangenen Monaten liess die Dynamik tendenziell nach. Im dritten Quartal 2024 verzeichnete der Schweizer Aussenhandel nach einem Rekordergebnis im Vorquartal einen Rückgang. Die Exporte sanken saisonbereinigt um 4.3 % (real: -5.9 %) auf 66.1 Milliarden Franken, blieben jedoch über dem Durchschnitt der letzten fünf Quartale. Die Importe gingen um 2.9 % (real: -0,9 %) zurück und erreichten den niedrigsten Stand seit dem vierten Quartal 2021. Trotz dieser Entwicklungen erzielte die Handelsbilanz einen Überschuss von 11.3 Milliarden Franken.

Der Rückgang der Exporte betraf im dritten Quartal acht der elf Warengruppen. Die umsatzstärkste Gruppe, die chemisch-pharmazeutischen Produkte, verzeichnete ein Minus von 6 % (-2.3 Milliarden Franken), insbesondere aufgrund eines Rückgangs bei Medikamenten (-924 Millionen Franken). Auch Metalle, Fahrzeuge, Präzisionsinstrumente und Uhren verzeichneten Einbussen. Die Uhrenexporte blieben trotz leichten Rückgangs auf hohem Niveau um die 6.5 Milliarden Franken. Regional sanken die Exporte nach Nordamerika um 14.8 % (USA: -15.4 %), nachdem sie im Vorquartal um ein Fünftel gestiegen waren. Die Ausfuhren nach Europa nahmen um 3.7 % ab, besonders ausgeprägt in Slowenien und Frankreich (zusammen -856 Millionen Franken), während die Exporte nach Spanien um 160 Millionen Franken stiegen. In Asien ging der Export um 2.1 % zurück, betroffen waren unter anderem Hongkong, Japan und Südkorea.

Blick auf den Welthandel
Die Erholung des Welthandels setzt sich fort. Allianz Trade erwartet ein Wachstum von 3,8 % im Jahr 2024, 3,0 % im Jahr 2025 und 3,1 % im Jahr 2026. Der globale Warenhandel erholte sich im ersten Halbjahr 2024 um 0,9 % im Vergleich zum Vorjahr, dank der Widerstandsfähigkeit des privaten Konsums und der Bestrebungen der Einzelhändler vor der Feiertagssaison ihre Bestände aufzufüllen. Die Rentabilität der Exporteure leidet jedoch unter stark gestiegenen Seefrachtkosten. Bis September 2024 stiegen die Frachtraten im Jahresvergleich um 79 % bzw. 184 % und liegen bei etwa 46 % des Höchststands von 2021. Trotz eines erwarteten Rückgangs nach der Feiertagssaison bleiben die Raten hoch, solange der Gaza-Konflikt anhält und bis sich die Lage im Roten Meer stabilisiert. (Allianz Trade/mc/ps)

Link zum vollständigen Allianz Trade Export Forecast: https://www.allianz-trade.com/content/dam/onemarketing/aztrade/allianz-trade_com/de_CH/dokumente/allianz-trade_forecast_oktober_2024_de.pdf

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