Schweizer BIP-Wachstum hat sich abgeschwächt
Bern – Die Schweizer Wirtschaft kann sich dem schwierigen internationalen Umfeld nicht entziehen. Das Wachstum des Bruttoinlandproduktes (IP) hat sich wie erwartet im zweiten Quartal 2019 abgeschwächt, zudem wurden frühere Daten klar nach unten revidiert. Im zweiten Halbjahr dürften die aufziehenden Wolken noch düsterer werden.
Inland- und Auslandnachfrage hätten sich im Einklang mit anderen europäischen Ländern schwach entwickelt. Das habe insbesondere die Dienstleistungsbranchen belastet, teilte das Staatsekretariat für Wirtschaft (Seco) am Donnerstag mit.
Konkret nahm das Bruttoinlandprodukt (BIP) in der Periode von April bis Juni 2019 gegenüber dem Vorquartal noch um 0,3 Prozent zu, dies nach einem Plus von 0,4 Prozent im ersten Quartal. Dieser Wert lag im Rahmen der Schätzungen von befragten Schweizer Ökonomen, die einen Wert zwischen 0,0 und 0,4 Prozent prognostizierten.
Schweiz in der Rezession?
Der Wert für das erste Quartal wurde allerdings deutlich – nämlich um 0,2 Prozentpunkte – nach unten revidiert, was ebenfalls auf eine klare Verlangsamung des Wachstums in letzter Zeit hindeutet.
Abwärtsrevisionen gab es aber auch für noch frühere Werte, wobei es zu einer Überraschung kommt. Gemäss den Seco-Zahlen befand sich die Schweiz im zweiten Halbjahr 2018 in einer sogenannten technischen Rezession, da die BIP-Wachstumsraten zwei Quartale in Folge ein negatives Zeichen aufwiesen – das dritte Quartal 2018 mit -0,3 Prozent und das vierte Quartal mit -0,1 Prozent.
ZKB Schweiz Chefökonom David Marmet gibt sich diesbezüglich allerdings skeptisch. Weitere veröffentlichte Indikatoren würden für diesen Zeitraum ein anderes konjunkturelles Bild zeichnen, meinte er gegenüber der Nachrichtenagentur AWP.
Industrie überraschend stark
Überraschungen gab es allerdings auch im Berichtsquartal – und zwar in Bezug auf die BIP-Komponenten. So hielt sich das verarbeitende Gewerbe – also die klassische Industrie – entgegen den Erwartungen mit einem Wachstum von 1,3 Prozent gut. Insbesondere seien die Umsätze und die Exporte der Chemie-Pharma angestiegen, heisst es in der Mitteilung des Seco.
Der starke Einbruch der Auftragseingänge in der Schweizer MEM-Industrie im zweiten Quartal sowie die Schwäche in der Industrie Deutschlands, des wichtigsten Schweizer Handelspartners, haben sich offenbar noch nicht allzu stark auf die hiesige Konjunktur ausgewirkt bzw. wurden durch andere Bereiche noch kompensiert.
Dafür büssten im zweiten Quartal bedeutende Dienstleistungsbranchen – gebremst durch die insgesamt schwache Binnennachfrage und durch leicht rückläufige Dienstleistungsexporte – an Dynamik ein. Die Wertschöpfung des Handels (-0,3%) etwa ging laut Seco nach einem positiven Jahresauftakt wieder zurück.
Ausrüstungsinvestitionen schwach
Einen recht deutlichen Einbruch verbuchten schliesslich auch die Ausrüstungsinvestitionen (-1,0%). Insbesondere wurde erneut weniger in Maschinen investiert. Das unsichere Umfeld laste auf der Investitionstätigkeit der Unternehmen, so das Seco. Gestützt durch Ausgaben für Gesundheit sowie für Wohnen und Energie wuchs hingegen der private Konsum (+0,3%) weiterhin. Und überraschend hohe Expansionsraten zeigten etwa auch das Gastgewerbe (+2,6%) und die Finanzbranche (+0,7%).
Besonders Sorgen bereitet Ökonomen das Minus bei den Investitionen. Letztlich müsse auch die Schweiz den Handelsstreitigkeiten zwischen den USA und China Tribut zollen. Und auch der ungelöste Brexit-Prozess drücke auf die Stimmung, meint Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank. Der stärkere Franken könne hingegen nicht als Begründung hinzu gezogen werden, glaubt er.
Perspektiven verhalten
Auch für David Marmet von der ZKB ist klar: «Das Wachstum in der Schweiz dürfte im zweiten Halbjahr gegenüber den ersten beiden Quartalen schwächer ausfallen», meint er. Die Vorlaufindikatoren jedenfalls würden ein einheitliches Bild zeichnen. Bekannte Vorlaufindikatoren sind hier etwa der Einkaufsmanager-Index PMI oder das KOF-Barometer, die beide eine klare Verlangsamung anzeigen.
Auch für Maxime Botteron von der Credit Suisse sind die Perspektiven «eher verhalten bis Ende des Jahres», nicht zuletzt weil die europäische Industrie immer noch sehr schwach und der Franken mittlerweile stärker sei. Auch Karsten Junius von Safra Sarasin rechnet mit einer «geringeren Dynamik» im zweiten Halbjahr und begründet dies vor allem mit den rückläufigen Ausrüstungsinvestitionen und ebenfalls dem Franken. (awp/mc/ps)