Teilnahme an Schengen und Dublin zahlt sich aus
Bern – Die Schweiz profitiert von der Teilnahme an Schengen und Dublin – und zwar in mehrfacher Hinsicht. Würde sie die Zusammenarbeit beenden, wäre das mit hohen Kosten verbunden. Zu diesem Schluss kommt der Bundesrat in einem Bericht.
Im Auftrag des Parlaments hat die Regierung die volkswirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen der Schengen- und Dublin-Zusammenarbeit untersuchen lassen. Am Donnerstag wurde der Bericht vorgestellt.
Das Fazit: Das Schengen-Visum und der Verzicht auf systematische Grenzkontrollen sind für die Schweizer Volkswirtschaft wichtig, insbesondere für die Grenzregionen und den Tourismus. Die finanzielle Bilanz von Schengen und Dublin fällt ebenfalls positiv aus, namentlich wegen Einsparungen im Asylbereich.
Staus an der Grenze
Wäre die Schweiz nicht mehr assoziiertes Mitglied der Abkommen von Schengen und Dublin, müssten die Nachbarstaaten systematische Grenzkontrollen durchführen. Das hätte Wartezeiten und Staus an den Grenzübergängen zur Folge, heisst es im Bericht. Wie gravierend diese wären, hängt davon ab, wie viele Ressourcen die Nachbarstaaten für die Kontrollen einsetzen würden.
Negative Konsequenzen wären auch für den Tourismus, den Wirtschafts- und den Wissenschaftsstandort Schweiz zu erwarten. Reisende aus visumspflichtigen Staaten benötigten nämlich für die Schweiz ein zusätzliches Visum. Der Aufwand könnte beispielsweise Europa-Touristen aus China von einem Schweiz-Besuch abhalten.
Einkommensverlust von bis zu 10,7 Mrd Franken
Mit der Berechnung der negativen Auswirkungen auf die Volkswirtschaft wurde das Beratungs- und Forschungsbüro Ecoplan beauftragt. Es kam zum Schluss, dass für das Jahr 2030 je nach Variante ein jährlicher Einkommensverlust zwischen 4,7 und 10,7 MRD CHF zu erwarten wäre. Das entspricht einem um 1,6 bis 3,7% tieferem Bruttoinlandsprodukt.
Gemäss dem Bericht würde auch der Aussenhandel zurückgehen. Wirtschaftlich überdurchschnittlich betroffen wären die Grenzregionen Basel, Genf und das Tessin sowie die Tourismusdestinationen.
Kosten für Informationssysteme
Die Analyse basiert auf den Zahlen der Jahre 2012 bis 2016. Für diese Jahre werden die Kosten den Einsparungen gegenüber gestellt. Die Assoziierung an Schengen hat die Schweiz pro Jahr durchschnittlich 53 Mio CHF gekostet.
Eingesetzt wird das Geld für die Informationssysteme zur Polizeizusammenarbeit und das Visuminformationssystem sowie für die Europäische Grenz- und Küstenwache Frontex und den Fonds für die innere Sicherheit.
Einsparungen im Asylbereich
Die im Dublin-Abkommen geregelte Asylzusammenarbeit ermöglicht aber Einsparungen, welche die Schengen-Kosten um ein Mehrfaches übersteigen. Weil die Schweiz mehr Personen an andere Dublin-Staaten überstellt hat, als sie von diesen übernahm, sparte sie pro Jahr durchschnittlich 270 Mio CHF.
Insgesamt hat die Schweiz gemäss dem Bericht durch Schengen/Dublin somit zwischen 2012 und 2016 rund 220 Mio CHF pro Jahr eingespart. Würde sie nicht mehr teilnehmen, würden weitere Kosten anfallen. Denn ohne Schengen-Zusammenarbeit gäbe es eine Sicherheitslücke: Die Schweiz hätte keinen Zugang mehr zu Daten des Fahndungssystems SIS, der Visumdatenbank VIS und der Fingerabdruckdatenbank Eurodac.
Mehr Polizisten notwendig
Betroffen wäre auch die Terrorismusbekämpfung, heisst es im Bericht. Der Wegfall der Schengen-Instrumente dürfte nur punktuell kompensierbar sein. Es bräuchte aber auf jeden Fall Massnahmen, um ein angemessenes Sicherheitsniveau zu erreichen. Die jährlichen Mehrkosten – etwa für die Aufstockung der Polizeikorps – betrügen 400 bis 500 Mio CHF.
Der Wegfall der Dublin-Zusammenarbeit würde bedeuten, dass viele Asylsuchende länger in der Schweiz blieben. Zudem könnte jeder Asylsuchende, dessen Gesuch in einem Dublin-Staat abgewiesen wurde, in der Schweiz erneut ein Asylgesuch stellen. Dieses müssten die Schweiz im ordentlichen Verfahren materiell prüfen. Je nach Annahme zur Anzahl zusätzlicher Zweitgesuche wäre mit Mehrkosten von mehreren Hundert Millionen Franken zu rechnen.
Die Schweiz nimmt sei Dezember 2008 operationell an der Schengen- und Dublin-Zusammenarbeit teil. Die beiden Abkommen sind gekoppelt. Derzeit wird die Schweiz im Rahmen der Schengener Zusammenarbeit evaluiert. Sachverständige aus den anderen Schengen-Staaten und der Europäischen Kommission prüfen, ob sie ihren Verpflichtungen korrekt nachkommt. Jedes Schengen-Mitglied wird mindestens alle fünf Jahre evaluiert. (awp/mc/pg)