Schweizer Teuerung galoppiert schneller als erwartet
Neuenburg – Die Inflation zieht auch in der Schweiz weiter an. Mit 2,9 Prozent hat sie im Mai selbst die kühnsten Schätzungen der Ökonomen übertroffen.
Die Experten hatten mit einer Jahresteuerung von 2,5 bis 2,7 Prozent gerechnet. «Die Inflationszahlen vom Mai haben ganz klar nach oben überrascht», lautet die einstimmige Ersteinschätzung verschiedener Experten.
«Die Energiepreisexplosion und die globalen Lieferengpässe führen mittlerweile auch in der Schweiz vermehrt zu indirekten Preisaufschlägen bei den Konsumentenpreisen», fasst Alexander Koch von Raiffeisen zusammen.
Befeuert wird die Inflation vor allem durch die Importgüter, die 7,4 Prozent teurer waren also vor Jahresfrist, wie das Bundesamt für Statistik (BFS) am Donnerstag mitteilte. Bei den Inlandgütern betrug die Jahresteuerung 1,5 Prozent.
Anormal starker Anstieg
Gegenüber dem Vormonat zogen die Konsumentenpreise im Mai ebenfalls weiter an. Der entsprechende Landesindex der Konsumentenpreise (LIK) stieg gegenüber April um 0,7 Prozent auf 104,0 Punkte. «Dieser monatliche Anstieg liegt weit über dem normalen saisonalen Anstieg», hebt Chefökonom Karsten Junius von der Bank J. Safra Sarasin hervor.
Tatsächlich sind vor allem die Preise für Nahrungsmittel, alkoholische Getränke, Bekleidung aber auch Energie im Mai stark gestiegen. Laut Junius spiegelten etwa die Preissteigerungen bei Mehl, Getreide und Brot die Knappheit und die höheren Weltmarktpreise wider. Dies sei eine Folge der beeinträchtigten Exportaktivitäten der Ukraine.
Überrascht zeigen sich die Experten in ihren ersten Einschätzungen auch von den stark gestiegenen Wohnungsmieten. Diese lagen im Mai um 1,4 Prozent über dem Vorjahreswert. Wie Junius von Sarasin oder auch Jörg Angelé von Bantleon hervorheben, fällt dieser Anstieg besonders ins Gewicht, da sie eine Gewichtung von etwa 20 Prozent bei der Kerninflation haben.
Angelé etwa rechnet damit, dass die Mietpreis-Inflation in den kommenden Quartalen auf bis zu 3,0 Prozent klettern werden.
3 Prozent im Juni erwartet
Im weiteren Jahresverlauf sollten sich die Schweizer Konsumenten denn auch auf Teuerungsraten jenseits der 3 Prozent einstellen, ist nahezu einstimmig von den Experten zu hören. Junius rechnet bereits für den Juni damit.
In der Schweiz liegt die Inflation allerdings trotz des Anstiegs der letzten Monate im internationalen Vergleich noch auf verhältnismässig tiefem Niveau. So verbuchte die Eurozone im Mai eine Inflationsrate von 8,1 Prozent, die USA gar von 8,3 Prozent.
In den USA hat die US-Notenbank denn auch mit ersten Zinserhöhungen auf den anhaltenden Inflationsdruck reagiert. Bei der EZB hat man eine erhöhte Alarm- und Handlungsbereitschaft signalisiert. Hier rechnet der Markt in den nächsten Wochen mit einem ersten Zinsschritt.
Laut Ökonom Maxime Botteron von der Credit Suisse sprechen die steigenden Preise für eine erste Zinserhöhung in diesem Jahr auch in der Schweiz. «Wir gehen nach wie vor davon aus, dass die SNB ihren Leitzins im Dezember 2022 auf -0,5 Prozent anheben wird, aber das Risiko einer früheren Zinserhöhung nimmt zu.» Andere Experten wie Bee von der UBS oder Angelé von Bantleon rechnen dagegen für September mit einem ersten SNB-Schritt. (awp/mc/ps)