Uhrenindustrie: Schwellenländer geben weiterhin den Takt an

Uhrmacher

Zürich – Die Credit Suisse hat heute die Studie «Schweizer Uhrenindustrie – Perspektiven und Herausforderungen» veröffentlicht. Keine andere Schweizer Branche ist so exportorientiert und hat so stark vom Boom der Schwellenländer profitiert wie die Uhrenindustrie. Seit rund einem Jahr hat sich das Wachstum der Branche jedoch deutlich verlangsamt, was insbesondere auf die schwächere Konjunktur und politische Massnahmen in China zurückzuführen ist. Mittelfristig rechnen die Ökonomen der Credit Suisse allerdings mit einem weiteren überdurchschnittlichen Wachstum der Uhrenexporte nach China.

Ein durch das Research der Credit Suisse entwickeltes Modell zeigt, dass die Schwellenländer Vietnam, Indien, Russland, Ukraine, Malaysia und Mexiko ihren Anteil an den Schweizer Uhrenexporten künftig stark erhöhen dürften. Trotz der insgesamt positiven Aussichten stehen insbesondere kleine, unabhängige Produzenten vor grossen Herausforderungen. Die Verschärfung der Zuliefersituation, die «Swissness-Vorlage» sowie der kostenintensive Vertrieb in den Wachstumsmärkten werden den Konzentrationsprozess in der Uhrenindustrie beschleunigen.

Das Zugpferd der Exportwirtschaft
Die Uhrenindustrie ist das Zugpferd der Schweizer Exportwirtschaft. Zwischen 2010 und 2012 erzielte sie ein durchschnittliches Exportwachstum von 17% pro Jahr und liess damit alle anderen Industriebranchen weit hinter sich. 2012 erreichten die Uhrenexporte trotz Frankenstärke und Eurokrise ein historisches Rekordvolumen von über CHF 21 Mia. Die Uhrenexporte machen inzwischen knapp 11% der gesamten Warenausfuhren aus, was die Uhrenindustrie zur drittgrössten Schweizer Exportbranche hinter der pharmazeutischen Industrie und dem Maschinenbau macht.

Geografische Diversifikation und Ausrichtung auf Luxussegment als Erfolgsfaktoren
Als wesentliche Erfolgsfaktoren der Schweizer Uhrenindustrie identifizieren die Ökonomen der Credit Suisse insbesondere die breite geografische Diversifikation der Absatzmärkte und die frühzeitige Ausrichtung auf das Luxussegment. Nur die chemisch-pharmazeutische Industrie und die Lebensmittelindustrie sind unter den Schweizer Exportbranchen noch besser nach Ländern diversifiziert. Schweizer Uhrenproduzenten bearbeiteten die rasch wachsenden Schwellenmärkte vergleichsweise früh und intensiv. Zwischen 2000 und 2012 gingen rund 70% der Zunahme der Schweizer Uhrenexporte auf das Konto von asiatischen Ländern. Die grössten Wachstumsimpulse kamen dabei aus Hongkong und China. Diese beiden Destinationen machten 2012 insgesamt rund 28% der Schweizer Uhrenexporte aus, im Jahr 2000 waren es erst 14% gewesen.

Politische Massnahmen in China dämpfen die Nachfrage
Der chinesische Markt stellt für die Schweizer Uhrenindustrie mittlerweile ein gewisses Klumpenrisiko dar. Die jüngste Wachstumsverlangsamung ist hauptsächlich auf die schwächere Nachfrage aus China zurückzuführen. In den ersten acht Monaten 2013 gingen die nominalen Uhrenexporte nach Festlandchina im Vorjahresvergleich um 17% zurück. Die Anzahl exportierter Uhren stieg im selben Zeitraum jedoch um 9% an. Dies legt nahe, dass zurzeit vermehrt günstigere Schweizer Zeitmesser nach China ausgeführt werden. Neben der Abschwächung des chinesischen Wirtschaftswachstums dämpfen politische Massnahmen zur Korruptionsbekämpfung sowie Werbebeschränkungen für Luxusgüter die Nachfrage nach Schweizer Uhren.

Der Exportrückgang nach China ist angesichts des rasanten Wachstums der vergangenen Jahre allerdings weniger als Einbruch, sondern vielmehr als Normalisierung zu werten. Die Ökonomen der Credit Suisse erwarten, dass der längerfristig rapide zunehmende Wohlstand der chinesischen Bevölkerung die kurzfristige Wirkung der politischen Massnahmen überkompensieren wird. China dürfte seine Bedeutung als wichtigster Exportmarkt für Schweizer Uhren in den nächsten Jahren weiter ausbauen. Dazu beitragen dürfte auch das ausgehandelte Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und China.

Grosses Potenzial in den Schwellenländern, hohe Zölle und Steuern als Hürden
Ein von den Autoren der Studie entwickeltes Modell, das auf Prognosen der Einkommensentwicklung in den einzelnen Ländern abstützt, zeigt die zukünftigen Auf- und Absteiger bei den Exportmärkten. Grosser Aufsteiger sind neben China die USA, die bereits heute zweitwichtigster Absatzmarkt sind und über ein immenses Potenzial verfügen. An relativer Bedeutung verlieren dürften gemäss dem Modell insbesondere reife europäische Märkte wie Italien, Deutschland oder das Vereinigte Königreich. Zahlreiche Schwellenmärkte bieten hingegen vielversprechende Wachstumsperspektiven für die Schweizer Uhrenindustrie. Vietnam, Indien, Russland, die Ukraine, Malaysia und Mexiko werden als stärkste zukünftige Aufsteiger unter den Exportmärkten identifiziert, wobei Indien und Russland das grösste Potenzial zugeschrieben wird. Brasilien, Argentinien, Südafrika, Thailand und die Türkei dürften ebenfalls in der Exportrangliste aufrücken. Die meisten Schwellenländer starten allerdings von einem sehr tiefen Niveau. Die hohen Importzölle und Steuern auf Uhren stellen in vielen Ländern bedeutende Markteintrittsbarrieren dar. Das Interesse der Schweizer Uhrenindustrie am Abschluss von Freihandelsabkommen mit solchen Ländern ist entsprechend gross.

Vertikalisierung und verschärfte Zuliefersituation verstärken Konzentrationsprozess
Die Uhrenindustrie unterliegt selbst in Zeiten des Erfolges einem starken Strukturwandel. Die seit Jahren anhaltende Konzentration in der Branche beschleunigte sich in den letzten drei Jahren. Während die Beschäftigung zwischen 2009 und 2012 um 14% stieg, reduzierte sich die Anzahl Unternehmen um 7%. Wichtiger Treiber dieses Trends ist die zu beobachtende vertikale Integration der Produktion. Ebenfalls zum Strukturwandel beitragen wird die «Swissness»-Vorlage. Zukünftig müssen mindestens 60% der Herstellungskosten eines «Swiss Made»-Produkts in der Schweiz anfallen. Insgesamt importierte die Schweizer Uhrenindustrie 2012 Bestandteile im Wert von CHF 2,1 Mia. aus dem Ausland, was rund einem Zehntel der Uhrenexporte entspricht. Das Import-Export-Verhältnis liegt bei Schweizer Uhren in tieferen Preissegmenten aber deutlich höher, weshalb jene Anbieter am stärksten unter den neuen Vorschriften leiden werden. Der Vertrieb stellt oft eine zusätzliche Herausforderung für kleinere Produzenten dar. Dem von den grossen Uhren- und Luxuskonzernen initiierten Trend zur Vertikalisierung der Distribution, der sich vor allem in der Eröffnung zahlreicher Monomarken-Boutiquen weltweit manifestiert, können sie aus finanziellen Gründen nur schwer folgen.

Ausblick für Uhrenindustrie positiv – kleine, unabhängige Produzenten unter Druck
Insgesamt schätzen die Ökonomen der Credit Suisse die mittelfristigen Perspektiven der Schweizer Uhrenindustrie als positiv ein. Die grossen Uhren- und Luxuskonzerne und unabhängige Traditionsmarken im oberen Preissegment sind am besten positioniert, um vom weiteren prognostizierten Wachstum der globalen Luxusgüternachfrage zu profitieren. Kleinere, unabhängige Anbieter kommen aufgrund der oben erwähnten strukturellen Herausforderungen verstärkt unter Druck. Vor diesem Hintergrund rechnen die Studienautoren in den kommenden Jahren mit einer Fortsetzung des Konzentrationsprozesses in der Schweizer Uhrenindustrie.

Die Publikation «Schweizer Uhrenindustrie – Perspektiven und Herausforderungen» ist im Internet in Deutsch, Französisch, Italienisch und Englisch verfügbar unter:
www.credit-suisse.com/research. (Credit Suisse/mc/ps)

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