Schweizer Unternehmen ziehen Milliarden aus Töchtern im Ausland ab
Zürich – Unternehmen mit Sitz in der Schweiz haben 2020 erneut viele Mittel aus Tochtergesellschaften im Ausland abgezogen. Netto wurden 34 Milliarden Franken mehr heimgeholt als im Ausland investiert.
Im Jahr davor hatten in der Schweiz ansässige Unternehmen netto gar 54 Milliarden Franken aus dem Ausland heimgeholt, wie die Schweizerische Nationalbank (SNB) am Freitag bekannt gab.
Sonst hatten Schweizer Firmen immer mehr im Ausland investiert als abgezogen. Einzig im Jahr 2014 hatte ein kleines Minus von 259 Millionen Franken resultiert.
Traditionellerweise zählt die Schweiz zu den weltweit grössten Direktinvestoren. Gründe hierfür sind unter anderem die zahlreichen Hauptsitze grosser multinationaler Konzerne und die Attraktivität der Schweiz als Standort für ausländisch beherrschte Holdinggesellschaften.
Hohe Rückzüge von Holdings
Nun lief es auch 2020 umgekehrt: Rekordhohe Rückzüge tätigten laut SNB Finanz- und Holdinggesellschaften, die 53 Milliarden Franken aus Tochtergesellschaften im Ausland abzogen. Es kam insbesondere – im Rahmen von Konzernumstrukturierungen – zu einer Reduktion des Beteiligungskapitals.
Die Rückzüge betrafen vor allem die Holdingstandorte Luxemburg, Irland und die Niederlande. Aber auch aus Zypern sowie den Offshore-Finanzzentren Mittel- und Südamerikas wurde viel Geld abgezogen. Andere Holdingstandorte wie Ungarn, Spanien Grossbritannien sowie die USA und Singapur profitierten hingegen von den Umstrukturierungen.
Im Gegensatz dazu erhöhten inländische Unternehmen der übrigen Branchen per Saldo ihre Direktinvestitionen: Im Dienstleistungssektor waren dies insbesondere Unternehmen aus den Branchengruppen Handel und «Übrige Dienste». Auch die Industrie investierte 12 Milliarden jenseits der Grenze.
Kapitalbestand im Ausland geschrumpft
Der Bestand an Direktinvestitionen im Ausland ist leicht geschrumpft. Er betrug 2020 noch 1460 Milliarden Franken, 17 Milliarden weniger als ein Jahr zuvor. Der Löwenanteil der Investitionen war über Beteiligungen angelegt, während ein kleiner Teil Kredite betraf.
Mit 578 Milliarden Franken verfügten die Finanz- und Holdinggesellschaften immer noch über den mit Abstand grössten Kapitalbestand im Ausland. Auf Platz zwei lag die Chemie- und Kunststoffbranche mit 179 Milliarden.
Unter dem Einfluss der Corona-Pandemie gingen die Erträge aus Direktinvestitionen im Ausland um deutliche 27 Prozent auf 77 Milliarden Franken zurück. Investoren bezogen deutlich weniger Dividenden bei Tochtergesellschaften im Ausland, gab die SNB an.
Weniger Stellen
Auch der Personalbestand schrumpfte: Die von der Nationalbank befragten schweizerisch beherrschten Unternehmen beschäftigten in ihren Tochtergesellschaften im Ausland gut 2,02 Millionen Menschen. Das sind fast 68’000 weniger als im Vorjahr.
Diese Konzerne sind auch im Inland bedeutende Arbeitgeber, wo sie 539’000 Angestellte haben. Das sind gut 10’000 weniger als im Jahr 2019.
(Spac)-Abflüsse aus der Schweiz
In der umgekehrten Richtung gab es ebenfalls Abflüsse: 2020 zogen Investoren im Ausland per Saldo 153 Milliarden aus Unternehmen in der Schweiz ab. Das ist ein neuer Rekord. 2019 hatten sich die Rückzüge auf 105 Milliarden belaufen.
Dafür waren laut SNB vor allem US-Konzerne verantwortlich, die Tochtergesellschaften in der Schweiz liquidierten oder deren Bilanzen verkürzten. Bei den betroffenen Töchtern habe es sich zum grossen Teil Special Purpose Entities (SPEs) gehandelt. Diese waren zum Zweck der Steueroptimierung oder zur Finanzierung von Konzernen gegründet worden.
Der Bestand ausländischer Direktinvestitionen in der Schweiz betrug 1216 Milliarden Franken. (awp/mc/pg)