Konsumentenschutz kritisiert Schweizer VW-Rückruf

VW

Bern – Die Rückrufaktion für VW-Autos mit der Abgas-Betrugssoftware verläuft in der Schweiz desaströs: Dieser Ansicht ist die Stiftung für Konsumentenschutz. Sie fordert weiterhin eine Pauschalentschädigung und setzt dabei auf eine Stiftung aus den Niederlanden.

Die Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) ist mit dem Verlauf der Rückrufaktion in der Schweiz ganz und gar nicht zufrieden. Sie zieht eine «desatröse Bilanz», wie sie am Mittwoch zum ersten Jahrestag des Abgas-Skandals schreibt. Die Affäre war am 18. September 2015 aufgeflogen. Immer noch warteten 75 Prozent der Käufer der Betrugsautos auf konkrete Informationen über das Update der Software – notabene seit letztem Winter. Erst ein Zehntel der rund 175’000 in der Schweiz betroffenen Autos sei umgerüstet. Aus dem Versprechen einer vollständigen Umrüstung 2016 werde also nichts.

Auch mit der versprochenen Transparenz und individuellen Beratung sei es nicht weit her. Die von der Schweizer VW-Importeurin Amag zugesicherte «unbürokratische Hilfe» komme oft nur «unter Drohungen oder teilweise nach Vermittlung durch die SKS» zustande.

Niederländer sollen’s richten
Die SKS engagiert sich weiter für eine pauschale Entschädigung der betroffenen Schweizer VW-Halterinnen und -Halter. Sie hat sich deshalb der niederländischen Stiftung «Volkswagen-Car-Claim» angeschlossen. Dort meldeten sich schon 1700 Geschädigte aus der Schweiz an. Die Teilnahme am Verfahren ist gratis.

Car Claim will mit VW verhandeln, worauf sich der Konzern gemäss SKS-Angaben aber nicht einlassen will. Unterdessen verlangt Car Claim in Kalifornien die Herausgabe von Beweismitteln der US-Behörden.

Sollte es zu keiner Einigung kommen, kann die Organisation in den Niederlanden eine Sammelklage einreichen. Das Schweizer Recht kennt keine solche Klagen. Der SKS hatte ursprünglich eine Entschädigung von 1000 Franken pro betroffenem Wagen vorgeschwebt. Verhandlungen mit Amag scheiterten aber wegen der Politik des Volkswagen-Konzerns.

VW nämlich schliesst Entschädigungen nach US-Muster in Europa kategorisch aus. In den USA musste Europas grösster Autobauer für einen ersten Vergleich 14,7 Milliarden Dollar locker machen. Die Chancen, dass das in Europa oder gar in der Schweiz auch geschieht, stehen nach Ansicht von Experten schlecht.

Amag rechnet mit Umrüstung bis 2017
Die VW-Importeurin Amag äusserte sich am Mittwoch nicht zur Frage der Nachrichtenagentur sda, wie viel die Rückrufaktion hierzulande kostet. Sie bestätigte aber, dass bisher 16’000 Fahrzeuge mit neuer Software bestückt wurden.

Rund zehn davon hätten hinterher geruckelt, was mit einem neuen Update behoben wurde, teilte Amag-Sprecher Dino Graf schriftlich mit. Für 46’000 Dieselwagen der Marken VW, Audi, Seat und Skoda mit dem Motor EA 189 in der Schweiz gebe es neue Software.

Europaweit liegt gemäss Amag für die Hälfte der Fälle ein Software-Update vor. In der Schweiz ist der Anteil wegen zahlreicher Allrad- und Automatikgetriebe geringer. VW habe zuerst für verkaufsstärkere Motoren Anpassungen entwickelt. Bis Ende Jahr sollte es sie für alle Varianten geben.

Insgesamt muss VW rund 1600 Varianten der Updates entwickeln. Diese müssen erst von den Behörden abgenommen werden, meistens vom deutschen Kraftfahrtbundesamt. Die Amag rechnet damit, dass die letzten Kunden die Umrüstung 2017 vornehmen lassen. Es liege letztlich an ihnen, wann sie die Garage aufsuchen.

Die Umrüstung ist obligatorisch. Das Bundesamt für Strassen kann Haltern, die dem nicht Folge leisten, den Fahrzeugausweis und damit die Fahrberechtigung entziehen.

Amag hält im weiteren fest, dass nach der Umrüstung alle Grenzwerte für Schadstoffemissionen eingehalten werden. Es gebe keine negativen Auswirkungen auf Treibstoffverbrauch, Motorleistung, Drehmoment und Geräuschemissionen. Das hätten auch unabhängige Tests etwa des Touring Club Schweiz gezeigt.

Uneinigkeit über Wertverlust
Bei den VW-Occasionsautos führte der Skandal auf dem Markt je nach Vergleichsportal zu einem Wertverlust. Gemäss Autoscout24 sind die Occasionspreise von Dieselfahrzeugen nach Bekanntwerden des Skandals generell gesunken.

Bis heute werde eine Mehrheit der Marken zu tieferen Preisen angeboten, schreibt Autoscout24. Es handle sich also um eine Marktentwicklung, die nicht ausschliesslich die Fahrzeuge des VW-Konzerns betreffe. Ähnlich äusserte sich Amag.

Das Vergleichsportal Comparis.ch kam hingegen zum Schluss, die Preise der vom Skandal betroffenen Dieselautos seien markant gesunken. Dieselmodelle der VW-Marken aus den Jahren 2009 bis 2013 seien im Durchschnitt mehr als einen Viertel günstiger als vor einem Jahr. Demgegenüber hätten die Diesel-Occasionen aller anderen Anbieter durchschnittlich nur vier Prozent eingebüsst. (awp/mc/ps)

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