«Konstruktive Gespräche»: economiesuisse-Präsident Heinz Karrer. (Foto: economiesuisse)
Bern – Wirtschaftsvertreter haben am Wochenende bei Gesprächen mit Johann Schneider-Ammann eine möglichst rasche und unbürokratische Umsetzung der Zuwanderungsinitiative gefordert. Zudem sprachen sie sich dafür aus, die Initianten bei der Umsetzung in die Verantwortung zu nehmen.
Der Wirtschaftsminister hatte am Samstag Spitzenvertreter der Wirtschaft zum Runden Tisch eingeladen, um sich ihre Bedenken und Bedürfnisse im Nachgang zur Abstimmung vom 9. Februar anzuhören.
Konstruktive Gespräche
«Die Gespräche mit Johann Schneider-Ammann waren sehr konstruktiv», sagte economiesuisse-Präsident Heinz Karrer im Anschluss an das Treffen gegenüber der Nachrichtenagentur sda.
Die Vertreter der verschiedenen Branchen hätten zahlreiche Ideen eingebracht, um negative Auswirkungen der Volksinitiative auf den Schweizer Wirtschaftsplatz möglichst zu verhindern. «In den zentralen Punkten haben wir am selben Strick gezogen», sagte Karrer.
Klare Priorität für die Schweizer Wirtschaft hat die rasche Umsetzung der Initiative – «damit wir planen und uns anpassen können», sagte Jacques Bourgeois, der Direktor des Schweizerischen Bauernverbands, auf Anfrage.
Ebenfalls einig waren sich die Wirtschaftsvertreter darin, dass der bilaterale Wege mit der EU erhalten werden müsse, wie verschiedenen Reaktionen zu entnehmen war.
Im Kern einig
Zu den weiteren Anliegen, welche die Wirtschaftsvertreter am Samstag auf den Tisch legten, gehört eine «möglichst unbürokratische Umsetzung» des Verfassungstextes, die dem Bedürfnis der Arbeitgeber nach Flexibilität Rechnung trägt.
Auch soll weiterhin ein Unterschied zwischen Bürgern der Europäischen Union und Bürgern von Drittstaaten gemacht werden. Die Frage der Grenzgänger will die Wirtschaft zudem separat angehen – «um den spezifischen Bedürfnissen der Wirtschaft gerecht zu werden», sagte der Präsident des Gewerbeverbands, Jean-François Rime, auf Anfrage.
Einbezug der SVP
Besonders freute den SVP-Nationalrat jedoch, dass sich alle Wirtschaftsvertreter dafür aussprachen, die SVP als Initiantin in den Umsetzungsprozess einzubinden.
Zur Erinnerung: Der Bundesrat hat für die Umsetzung der Zuwanderungsinitiative die Einsetzung einer Expertengruppe angekündigt. Eine Einbindung der SVP ist bisher nicht vorgesehen. Diese hatte auf die Ankündigung in einer offiziellen Stellungnahme konsterniert reagiert.
Bundesrat Schneider-Ammann verteidigte gegenüber der «SonntagsZeitung» diesen Entscheid. Es handle sich nun um ein Dossier des Bundesrates, sagte er im Interview. «Den Lead hat eine Expertengruppe, die Initianten werden konsultiert.»
Aus der Sicht von economiesuisse-Präsident Karrer ist es jedoch «entscheidend, dass die Initianten dem gesamten Prozess beiwohnen». Diese Meinung teilt auch CVP-Präsident Christophe Darbellay. «Der Bundesrat liegt total falsch, wenn er die SVP als Initiantin aus der Arbeitsgruppe zur Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative fernhält», teilte der Parteipräsident am Samstag via Twitter mit.
Ende der Bilateralen?
Die konkreten Folgen des Ja zur Zuwanderungsinitiative sind nach wie vor unklar. «Es sind strukturelle Folgen zu befürchten, die langfristig wirksam werden», warnt Aymo Brunetti, der ehemalige Chefökonom des Staatssekretariats für Wirtschaft, in einem Interview mit der «Zentralschweiz am Sonntag». Dabei werde der bilaterale Weg mit der EU fundamental in Frage gestellt.
Aus Sicht von Bundesrat Alain Berset bedeutet das Ja zur Zuwanderungsinitiative jedoch «weder das Ende der Welt noch unbedingt das Ende der Bilateralen», wie er am Samstag im Interview mit der Zeitung «La Liberté» sagte. Es gebe nun aber eine Phase der Unsicherheit.
«Die Schweizer haben möglicherweise manchmal den Eindruck, sie könnten aus Überdruss einen Entscheid fällen, ohne dass dieser Konsequenzen hat, wie bei der Minarett-Abstimmung», sagte der Sozialminister. Doch dieses Mal hätten sich die Auswirkungen rasch gezeigt. «Sie sind nicht angenehm, aber wir dürfen nicht überrascht sein.»
Für eine solidarische Schweiz
Gegner der Initiative demonstrierten am Samstag für eine offene und solidarische Schweiz. Gut 10’000 Menschen fanden sich auf dem Bundesplatz ein. Rednerinnen und Redner warnten eindringlich vor den Folgen einer Abschottung des Landes.
«Die SVP sagt, es gebe Probleme, weil wir in der Schweiz sind. Ich erlebe es umgekehrt: Wir lösen Probleme, indem wir in der Schweiz sind», sagte eine polnische Spitex-Angestellte.
Zur Kundgebung aufgerufen hatte ein Bündnis von fast 60 Parteien, Gewerkschaften und Organisationen, darunter mehrere Ausländervereinigungen. Fahnen, bunte Ballone und viele Transparente prägten das Bild auf dem Bundesplatz. (awp/mc/ps)