Bern – Die Schweizer Wirtschaft hat sich im dritten Quartal vom Corona-Absturz im Frühling sehr gut und schneller als erwartet erholt. Mit der zweiten Welle und neuen Restriktionen dürfte das Wachstum allerdings im vierten Quartal bereits wieder zum Stillstand gekommen sein.
In der Periode von Juli bis September 2020 stieg das reale Bruttoinlandprodukt (BIP) gegenüber dem Vorquartal um 7,2 Prozent. Vor allem die Binnennachfrage und Teile des Dienstleistungssektors haben sich nach der schrittweisen Lockerung der Corona-Massnahmen ab dem Frühsommer deutlich erholt, wie das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) am Dienstag mitteilte.
«Die Binnenwirtschaft und der private Konsum haben im Vergleich zu unseren Erwartungen im Sommer sicher positiv überrascht», sagte Ronald Indergand, beim Seco zuständig für die Konjunkturprognosen, im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AWP. So liege der private Konsum nach einem Wachstum von 11,9 Prozent im dritten Quartal nur noch etwa 1,5 Prozentpunkte unter dem Vorkrisenniveau. Viele Bereiche hätten von Nachholeffekten nach den Lockerungen profitiert.
Sehr starke Gegenbewegungen zu den Einbrüchen der zwei Vorquartale gab es etwa im Bereich Kunst, Unterhaltung und Erholung (+62%) sowie im Gastgewerbe (+73%). Die Öffnung von Sport-, Freizeit- und Kultureinrichtungen sowie der gastronomischen Betriebe habe die Wertschöpfung sprunghaft ansteigen lassen, so das Seco.
Aussenhandel schwächelt weiter etwas
Etwas schwächer ist derweil die Erholung im Aussenhandel. Zwar erholten sich die Exporte nach Asien, aber die Dienstleistungsexporte litten weiter unter den ausbleibenden Touristen. «Es kommen weiterhin nur wenige Ausländer in die Schweiz für Ferien», so Indergand.
Mit der Erholung im dritten Quartal hat die hiesige Wirtschaft aber rund drei Viertel des Einbruchs des ersten Halbjahres bereits wieder wettgemacht, womit das BIP gemäss den Seco-Zahlen noch gut 2 Prozent unter dem Vorkrisenniveau von Ende 2019 liegt. Die Schweiz sei bislang verhältnismässig glimpflich durch die Corona-Krise gekommen, meinen die Bundesökonomen.
Der starke Aufschwung kommt zwar nicht ganz überraschend, war aber doch noch etwas stärker als von den meisten Ökonomen erwartet. «Die Erholung nach dem Frühlings-Lockdown fiel – angetrieben durch die Konsumnachfrage – nochmals spürbar kräftiger aus als erwartet», meinte etwa Alexander Koch von Raiffeisen Schweiz. «Da die Einkommen dank der Kurzarbeitsentschädigung nur wenig gelitten haben, konnten die Konsumenten nach der Wiedereröffnung der Geschäfte wieder Gas geben.»
Und Alessandro Bee von der UBS ergänzt: «Die Schweizer Wirtschaft konnte sich dank der frühen Öffnung und den relativ milden Massnahmen wesentlich besser erholen als andere europäische Wirtschaften.» Das sieht auch Claude Maurer von der Credit Suisse so: «Die Schweiz steht im internationalen Vergleich gut da.» So sei der Einbruch nach drei Quartalen (-2,1%) geringer als in Schweden (-3,1%), den USA (-3,5%), Frankreich (-3,7%) oder auch in Deutschland (-4%).
Stagnation im vierten Quartal
Die starke Erholung aus dem dritten Quartal dürfte allerdings so nicht weitergehen. Die neuen Massnahmen im In- und Ausland aufgrund der zweiten Corona-Welle haben sich auf die Wirtschaft bereits ausgewirkt und den Aufschwung zum Stillstand gebracht. Ein vom Seco vor kurzem neu geschaffener Index zur Berechnung der wöchentlichen Wirtschaftsaktivität mit Echtzeitdaten etwa aus Banktransaktionen oder dem Stromverbrauch, zeigt in den letzten paar Wochen mehr oder weniger eine Seitwärtsbewegung der hiesigen Wirtschaft.
Eine Abschwächung der Erholung habe man zwar so oder so erwartet, auch ohne eine zweite Corona-Welle, meinte Ronald Indergand vom Seco. Nun sei eine schwarze Null beim BIP-Wachstum im vierten Quartal «zwar nicht ausgeschlossen», die Risiken gegen unten überwögen aber ganz klar. Dies auch angesichts der zum Teil noch verschärften Massnahmen in Nachbarländern wie etwa Österreich. Allzu dramatisch wird das aber nicht gesehen. «Das BIP wird zwar im vierten Quartal wohl schrumpfen, aber deutlich weniger als in den Zeiten das Lockdowns im Frühling», sagte CS-Ökonom Maurer. (awp/mc/ps)