Bern – Die Schweizer Wirtschaft ist im Corona-Jahr 2020 so stark eingebrochen wie nie mehr seit den Siebzigern – dank den Lockerungen im Sommer allerdings weniger stark als befürchtet. Auch die Schäden durch eine dritte Welle dürften sich in Grenzen halten.
Insgesamt ging das Bruttoinlandprodukt (BIP) im vergangenen Jahr um 2,9 Prozent zurück, wie das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) am Freitag aufgrund einer ersten Schätzung mitteilte. Letztmals grösser war der Einbruch 1975. Damals fiel das BIP als Folge der internationalen Ölkrise um hohe 6,7 Prozent.
Im Frühling bzw. auf dem Höhepunkt der ersten Corona-Welle befürchteten Ökonomen für das Gesamtjahr ähnliche Minus-Zahlen. Phasenweise senkten die professionellen Beobachter ihre Prognosen fast im Wochenrhythmus, wobei die pessimistischsten der Zunft von Rückgängen um bis zu 10 Prozent ausgingen.
Historische Dimension
Zwar kam es dann zum Glück nicht ganz so schlimm, doch der Einbruch damals war trotzdem historisch. Vor allem das zweite Quartal dürfte in die Annalen eingehen. Der umfassende Lockdown in der Schweiz, aber auch der Unterbruch der internationalen Lieferketten und der weltweiten Tourismusströme führten bekanntlich zu einem beinahe Totalabsturz der Wirtschaft.
So sank das BIP im zweiten Quartal um 7,2 Prozent, was gemäss Seco der grösste Einbruch seit Beginn der vierteljährlichen Aufzeichnungen im Jahre 1980 war. Für einzelne Branchen waren die Einbussen allerdings noch viel grösser als für die Gesamtwirtschaft. So sank etwa die Wertschöpfung im Gastgewerbe in der Periode von April bis Juni um 57 Prozent, im Bereich Kunst, Unterhaltung etc. betrug das Minus 38 Prozent. Daneben brachen aber auch der Aussenhandel und die Ausrüstungsinvestitionen ein.
So rasant wie der Einbruch im zweiten Quartal war dann allerdings auch die Erholung im dritten Quartal. Die Wiedereröffnung der Wirtschaft ab Mai führte zu einem Nachholkonsum in vielen Bereichen und entsprechend hohen Wachstumsraten. Das Gastgewerbe etwa profitierte besonders stark vom schönen Sommer und konnte die Umsätze wieder verdoppeln. Der private Konsum insgesamt machte mit einem Plus von 12,2 Prozent im dritten Quartal den Einbruch sogar mehr als wett. Aber auch Investitionen und der Aussenhandel zeigten eine markante Erholung.
Die zweite Welle…
Einen Strich durch die Rechnung bzw. die weitere Erholung machte dann aber die zweite Corona-Welle. Wegen der erneuten Einschränkungen wurde die hiesige Wirtschaftsdynamik ziemlich abrupt wieder gestoppt. Wie die ebenfalls am Freitag veröffentlichten Daten zeigen, legte das BIP nämlich im vierten Quartal lediglich noch um 0,3 Prozent zu.
Das Gastgewerbe etwa erlitt wieder eine Einbusse von gut einem Fünftel. In anderen Bereichen setzte sich die Erholung dagegen fort. Insgesamt wirkte sich die zweite Corona-Welle bis Ende 2020 jedenfalls deutlich weniger auf die Wirtschaft aus als die erste im vergangenen Frühjahr.
«Der vielfach befürchtete, freiwillige Rückzug der Konsumentinnen und Konsumenten wegen der zweiten Welle ist kaum eingetroffen», sagte der Seco-Verantwortliche Ronald Indergand gegenüber der Nachrichtenagentur AWP. Grundsätzlich seien die Leute in der zweiten Welle zuversichtlicher geblieben, was den Konsum im Vergleich zur ersten Welle einigermassen stabil gehalten habe.
… und die dritte Welle
Insgesamt war das vierte Quartal damit laut Indergand besser als Anfang Dezember erwartet. Dafür dürfte aber das erste Quartal wegen der Restriktionen schwächer ausfallen. «Wir rechnen im Moment – ausgehend von unserem wöchentlichen Aktivitätsindex – wegen der Restriktionen mit einem Minus von 1,5 bis 2 Prozent, sagte er. Je nach Geschwindigkeit der Öffnungen und Kompensationseffekte im März könnte das Quartal aber auch «etwas besser oder schlechter» ausfallen.
Eine dritte Welle würde sich aber wohl weniger stark negativ auswirken auf die Nachfrage, da immer mehr Leute geimpft seien und die Immunität deutlich grösser sei als bei der ersten oder zweiten Welle. Damit sollte das Gesundheitssystem auch bei einer dritten Welle viel langsamer an die Grenzen stossen. «Unter dieser Voraussetzung würden wir auch keine neue, gravierenden wirtschaftlichen Einschränkungen mehr erwarten», so der Seco-Mann. (awp/mc/ps)