Bern – Der Schweizer Wirtschaftsmotor stottert weiterhin. Nach dem leichten Rückgang im Frühling hat sich die hiesige Konjunktur im Sommer wieder mühsam aufgerappelt und schleppt sich vor sich hin. Die Aussichten sind auch nicht rosig.
Im dritten Quartal ist das reale Bruttoinlandprodukt (BIP) gegenüber dem Vorquartal um 0,3 Prozent gewachsen, wie das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) am Freitag mitteilte. Auch auf sportanlass-bereinigter Basis belief sich das BIP-Wachstum auf 0,3 Prozent. Denn es fanden keine Fussball-Weltmeisterschaften oder Fussball-Europameisterschaften statt, die jeweils viel Geld in die Kassen von Fifa und Uefa spülen, das in der Schweiz verbucht wird.
Damit blieb die Entwicklung deutlich hinter dem dynamischen Wachstum in den USA zurück, sie fiel aber günstiger aus als im Euroraum und liege am oberen Rand der Erwartungen, schrieb das Seco. Ökonomen hatten eine BIP-Entwicklung von -0,1 bis +0,3 Prozent vorhergesagt.
Dienstleistungssektor als Stütze
Als Stütze der hiesigen Konjunktur erwies sich erneut der Dienstleistungssektor. Dagegen kam die Industrie nicht vom Fleck, weil das internationale Umfeld schwach blieb.
Im verarbeitenden Gewerbe ging die unterschiedliche Entwicklung weiter: So kletterte dank dynamischer Exporte und Umsätze insbesondere die Wertschöpfung der chemisch-pharmazeutischen Industrie um 1,2 Prozent. Die Pharmaindustrie ist im allgemeinen ziemlich resistent gegenüber Konjunkturschwankungen.
Die konjunktursensitiveren Industriebranchen hätten sich im dritten Quartal hingegen nur verhalten entwickelt, schrieb das Seco: Im Metallbau und im Maschinenbau sowie in der Herstellung elektrischer Ausrüstungen sanken die Umsätze erneut, während sie in der Uhrenindustrie und im Fahrzeugbau stagnierten.
«Diese Branchen spüren die schwächelnde internationale Nachfrage zusehends», so das Seco weiter. Im Bausektor ging die Wertschöpfung leicht um 0,3 zurück. Insbesondere im Hochbau sanken die Umsätze.
Herber Rückgang im Gastgewerbe
Die Dienstleistungssektor verlor von Juli bis September etwas an Dynamik. Der Detailhandel musste erneut Einbussen (-0,5 Prozent) hinnehmen. Damit hält die Talfahrt im Detailhandel bereits seit sieben Quartalen an.
Einen deutlichen Dämpfer erlitt das Gastgewerbe (-3,7 Prozent) nach den teilweise starken Wachstumsraten im Zuge der Erholung nach der Corona-Pandemie. Das sei das erste Minus seit über zwei Jahren, schrieb das Seco.
Zum Taucher dürfte beigetragen haben, dass die Schweizer wieder viel mehr ins Ausland reisen. So stagnierten die Übernachtungszahlen hierzulande, obwohl die ausländischen Touristen wieder zahlreicher in die Schweiz kamen. Zudem wurde in den Restaurants von Juli bis September weniger Geld ausgegeben als in den drei Monaten zuvor.
Dagegen wuchsen inlandorientierte Dienstleistungsbranchen wie beispielsweise das Gesundheits- und Sozialwesen oder die öffentliche Verwaltung (je +0,7 Prozent).
Schwacher Privatkonsum
Als einzige inländische Nachfragekomponente wuchs der Staatskonsum (+0,5 Prozent) substanziell. Der private Konsum (+0,2 Prozent) steigerte sich dagegen nur moderat. Insbesondere war wegen dem wärmsten September seit Messbeginn der Heizbedarf deutlich geringer. Auch die Konsumentenstimmung hat sich verschlechtert.
«Als kleine offene Volkswirtschaft hängt die Schweiz in hohem Masse an der globalen weltwirtschaftlichen Entwicklung», kommentierte VP Bank-Chefökonom Thomas Gitzel. Deshalb werde das Bruttoinlandprodukt vorerst keine grossen Sprünge machen können. Auch das im laufenden Jahr per Saldo überraschend robuste Konsumwachstum dürfte sich abschwächen. Höhere Miet- und Stromkosten würde das Budget der Konsumenten schmälern.
KOF-Ökonom Klaus Abberger rechnet nur mit wenig Rückenwind für die Schweizer Wirtschaft im Winterhalbjahr: «Es deutet sich zwar an, dass international die Konjunktur langsam Tritt fasst. Aber der Erholungsprozess wird eher langsam vorangehen. Dem entsprechend dürfte auch die Konjunktur in der Schweiz nur zögerlich an Fahrt aufnehmen.» (awp/mc/pg)