Seco belässt BIP-Prognose für 2011 unverändert
Bern – Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) hat die Prognosen für das reale Bruttoinlandprodukt (BIP) 2011 unverändert belassen, für 2012 aber etwas zurückgenommen. Die grösste Gefahr für die hiesige Wirtschaft sieht das Seco im starken Schweizer Franken, welcher für die Exportwirtschaft mehr und mehr zur Belastung wird. Insgesamt deuten die Wirtschaftsindikatoren aber noch nicht auf eine ausgeprägte Abkühlung hin.
Im laufenden Jahr dürfte gemäss der Seco-Prognose die Wirtschaft in der Schweiz um 2,1% expandieren (bisherige Prognose vom März +2,1%). Im Jahr 2012 dürfte die Wirtschaft mit +1,5% (zuvor: +1,9%) ein etwas geringeres Wachstum erreichen. Die Wirtschaftsentwicklung in der Schweiz sei im bisherigen Jahresverlauf trotz erster Verlangsamungszeichen noch immer solide verlaufen. Die für die Exportwirtschaft zuvor schon schwierige Währungssituation habe sich mit dem jüngsten neuerlichen Höhenflug des Frankens aber weiter zugespitzt. Auch gewisse Stimmungsindikatoren wie der Einkaufsmanagerindex und die Bestellungseingänge in der Industrie hätten in den vergangenen Monaten eine leichte Abwärtstendenz erkennen lassen, allerdings auf einem noch immer hohen Niveau. Aufgrund dieser Indikatoren sieht das Seco deshalb noch keine starke wirtschaftliche Abkühlung im Anzug.
2012 wieder mehr Arbeitslose erwartet
Aufgrund der «sehr ausgeprägten» Frankenstärke müsse aber davon ausgegangen werden, dass der Konjunkturaufschwung in der Schweiz – trotz der voraussichtlich weiterhin robusten Inlandkonjunktur, insbesondere im Baubereich – vorübergehend ins Stottern geraten werde. Deswegen stellt das Seco für das Jahr 2012 auch eine erstmals seit längerem wieder steigende Arbeitslosenquote in Aussicht. Für diese hat das Seco die Prognose für das laufende Jahr gegenüber der Prognose vom März auf 3,1% von 3,2% etwas gesenkt, während die Prognose für 2012 auf 3,3% lautet. Einen positiven Nebeneffekt der Frankenstärke sieht das Seco in der dämpfenden Wirkung auf die Importpreise und damit auf die Inflation. Sowohl für 2011 als auch für 2012 wird eine Inflationsrate von deutlich unter 1% prognostiziert.
Starker Franken verschärft Lage der Exportwirtschaft
Für die Exportwirtschaft hat sich mit dem starken und breiten Aufschwung des Frankens in den letzten Wochen die Situation aber weiter verschärft. Mit der jüngsten Entwicklung befinde sich der handelsgewichtete, reale und inflationsbereinigte Wechselkursindex (gegenüber 40 Handelspartnern) des Frankens auf einem Allzeithoch und über dem bisherigen Höchststand von Mitte der Neunziger Jahre. Für die Schweizer Unternehmen komme die Frankenstärke einer erheblichen Verschlechterung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit gleich, so das Seco. Die bislang noch bemerkenswert positive Entwicklung der Warenexporte sei wesentlich auf die schwungvolle Auslandnachfrage aus den Schwellenländern, den USA und aus Deutschland zurückzuführen. Ausserdem hätten viele Unternehmen ihre Exportpreise in Franken gesenkt, um konkurrenzfähig zu bleiben. Dies belaste aber die Margen und könne kaum über längere Zeit fortgesetzt werden. So geht die Expertengruppe des Seco davon aus, dass ein anhaltend starker Franken 2011 und 2012 mehr und mehr auf die Exporte durchschlagen werde.
Franken wohl weiterhin als Safe-Heaven-Währung gefragt
Die Dauer dieser Phase der historisch sehr hohen Franken-Bewertung ist gemäss Seco schwierig abzuschätzen. Mit Blick auf die weltwirtschaftlichen Unsicherheiten und vor allem angesichts der Staatsschuldenprobleme werde der Franken wohl weiterhin als Safe-Heaven-Währung gefragt bleiben. Entsprechend sei eine baldige Rückbildung der Frankenstärke wohl eher unwahrscheinlich. Im ungünstigen Fall könnte sich der Aufwertungsdruck noch weiter verstärken und die Fortsetzung des Wachstums ernsthaft gefährden.
Inland-Konjunktur stützt
Dass sich die konjunkturelle Verlangsamung dennoch im Rahmen halten dürfte, begründet das Seco mit der weiterhin stützenden Rolle der Konjunktur im Inland. Vor allem die Bauwirtschaft wird wohl weiterhin von der steigenden Bevölkerungszahl sowie von den tiefen Zinsen profitieren. Für die Bauinvestitionen sieht das Institut für 2011 ein Wachstum von 5%. Trotz etwas moderaterer Zuwächse werde zudem auch der private Konsum weiter positive Impulse liefern, während sich der Aufschwung der Ausrüstungsinvestitionen wegen der verschlechterten Aussichten im Auslandgeschäft verlangsamen werde. Die Aussichten für die internationale Konjunktur präsentieren sich gemäss dem Staatssekretariat für Wirtschaft durchwachsen. In vielen OECD-Ländern dürfte der Aufschwung weiterhin nur langsame Fortschritte machen, so wie es in der Vergangenheit oftmals nach Immobilien- und/oder Finanzkrisen zu beobachten gewesen sei. Für die USA wird «noch für längere Zeit» eine unstetige Entwicklung vorhergesagt sowie eine Belastung durch die Schwäche des Immobilienmarktes und die für das Land ungewohnt hohe Arbeitslosenquote.
Nachlassende positive Effekte aus Schwellenländern
Der moderate Aufschwung im Euroraum dürfte weiterhin durch starke Divergenzen zwischen Kern- und Peripherie-Ländern geprägt bleiben. Während sich für Deutschland für 2011 ein kräftiges Wachstum abzeichne, dürften sich die von der Schuldenkrise am meisten belasteten Länder Griechenland, Portugal und Irland nur langsam aus der Rezession lösen können. Der durch das Erdbeben bedingte Einbruch der Produktion in Japan dürfte erst 2012 durch eine wiederaufbaubedingte Erholung abgelöst werden, wobei die negativen Effekte auf die Weltwirtschaft aller Voraussicht nach kaum spürbar sein werden. Positive Impulse für die Weltwirtschaft erwartet das Seco weiterhin von den Schwellenländern. Allerdings in nachlassendem Ausmass, da vielerorts die Geldpolitik gestrafft wird.
(awp/mc/ps)