Von Thomas Stucki, CIO St. Galler Kantonalbank. (Foto: SGKB)
St. Gallen – Die Meldungen über Betriebsschliessungen oder die Verlagerung von Arbeitsplätzen infolge des starken Frankens nehmen zu. Vorlaufende Indikatoren wie der KOF Konjunkturbarometer deuten zwar darauf hin, dass der erste Schock der Frankenaufwertung vorbei ist. Dies ist aber nicht mehr als eine kurzfristige Gegenreaktion. Die grosse Herausforderung für den Umgang mit dem starken Franken steht der Wirtschaft noch bevor.
Ein Merkmal der letzten Rezessionen in der Schweiz war, dass sie teilweise zwar zu heftigen Einbrüchen führten, aber schnell wieder vorbei waren. Sowohl nach der Finanzkrise 2008 als auch nach dem letzten Frankenschock 2011 erholte sich die Wirtschaft innerhalb eines Jahres wieder. Ein wichtiger Faktor war dabei der private Konsum, welcher über die ganze Zeit solide blieb. Die Konsumenten realisierten die Rezession eigentlich gar nie, da es ihnen gefühlt immer gut ging. Zudem stärkte die anhaltende Zuwanderung die Konsumausgaben.
Was denken und merken die Leute?
Die aktuelle wirtschaftliche Schwäche wird länger anhalten und die Probleme können sich in den Köpfen der Bevölkerung festsetzen. Eine zentrale Rolle wird dabei dem Arbeitsmarkt zukommen. Sollte die Arbeitslosenrate stark steigen, wird sich dies negativ auf das Konsumverhalten auswirken. Zudem wird die Zuwanderung abnehmen, wenn das Arbeitsangebot nicht mehr so gross und attraktiv ist. Dadurch wird der stabilisieren-de Faktor des privaten Konsums schwächer ausfallen. Ob er durch private Investitionen der Unternehmen ersetzt werden kann, ist angesichts der unsicheren Lage für die Unter-nehmen fraglich.
Hinzu kommt die Verschuldung der Schweizer Haushalte. 2012 betrug die Verschuldung der Schweizer Haushalte 124% des BIP, wobei Hypothekarkredite den grössten Teil ausmachen. Seither dürfte dieser Wert noch zugenommen haben. Auch Konsumkredite und Rückstände bei den Steuerzahlungen nehmen zu. Verlieren die Leute ihre Stelle und damit ein regelmässiges Einkommen, drohen deutlich höhere Kreditausfälle.
Was können SNB oder Bund tun?
Die SNB ist heute nicht mehr in der Lage, die Wirtschaft anzukurbeln. Eine weitere Senkung des Libor-Satzes wird keine Entlastung bringen. Wie die letzte Senkung im Januar gezeigt hat, erhöht eine Verstärkung der Negativzinsen nur die Zinsabsicherungskosten der Banken, was zu effektiv höheren Kreditzinsen der Unternehmen und Haushalte führt. Eine dauerhafte Abschwächung des Frankens durch anhaltende Interventionen oder durch die Festlegung einer neuen Euro-Untergrenze ist ebenfalls nicht möglich. Der Devisenmarkt traut dies der SNB nicht mehr zu und würde sie stetig attackieren. Fiskalische Massnahmen bringen auch nicht viel, da sie erfahrungsgemäss zu lange dauern und nur punktuell und oft politisch bedingt einseitig eine Entlastung bringen.
Die Schwäche der Schweizer Wirtschaft wird länger anhalten als gewohnt
Die Folge wird ein schmerzhafter struktureller Anpassungsprozess sein, ähnlich der Veränderung der Uhrenindustrie in den 70er-Jahren. Wie das Beispiel der Uhrenindustrie zeigt, wird die Schweizer Wirtschaft diesen Prozess jedoch erfolgreich gestalten. Die Wirtschaft wird sich auch auf dem aktuellen Frankenniveau wieder erholen. Positive Faktoren wie die gute Ausbildung, die gute Infrastruktur und der Innovationsgeist der Unternehmen werden sich mit der Zeit durchsetzen. Gute Produkte, gepaart mit der hierzulande hohen Servicequalität, sind auf dem Weltmarkt gefragt. (SGKB/mc/ps)