Bern – Das KMU-Komitee «Kündigungsinitiative – Arbeitsplätze vernichten NEIN» informierte die Medien zu den Gründen für die Ablehnung der «Initiative für eine massvolle Zuwanderung». Der Wohlstand der Schweiz begründet sich aus der wirtschaftlichen Offenheit. Die Personenfreizügigkeit ist für die Wirtschaft und für die Sicherung der Arbeitsplätze von zentraler Bedeutung. Sie ermöglicht den Unternehmen, flexibel und unbürokratisch auf einen Fachkräftepool in der EU zurückzugreifen. Das ist ein zentrales Anliegen der KMU und das gilt es zu bewahren.
Die sogenannte Begrenzungsinitiative verfolgt das Ziel, die Zuwanderung für die Schweiz eigenständig zu regeln und somit die Personenfreizügigkeit (PFZ) mit den Ländern der Europäischen Union und der Europäischen Freihandelszone (EFTA) neu zu verhandeln. Wenn es dem Bundesrat nicht innert Jahresfrist auf dem Verhandlungsweg gelingt das Abkommen ausser Kraft zu setzen, muss er kündigen. «Nüchtern betrachtet ist dieser Verhandlungsweg im Eiltempo illusorisch, das zeigt die Vergangenheit. Die Begrenzungsinitiative ist also in Tat und Wahrheit eine Kündigungsinitiative», analysiert der Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbandes sgv, Hans-Ulrich Bigler, die Situation. Was sind die Konsequenzen einer Kündigung der PFZ für den Arbeitsmarkt?
Fachkräftemangel wird verschärft
Die Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative wird ab diesem Jahr eine zunehmende Fachkräfteknappheit verursachen. Seit dem 1. Januar 2020 sind noch mehr Branchen von der Stellmeldepflicht betroffen. Das heisst, dass sich die Auflagen bei der Suche nach einer geeigneten Fachkraft weiter erschweren. In der Schweiz werden sehr viele Fachkräfte ausgebildet. Trotzdem reicht es punktuell nicht, wie z.B. das Gesundheitswesen klar aufzeigt. Eine Kündigung der PFZ wäre ein Rückfall in das Kontingenten-Management. Ist ein Kontingent aufgebraucht, kann ein Unternehmen ausländische Fachkräfte nicht mehr zeitgerecht anstellen, sondern muss im besten Fall ein Jahr warten. Die Kunden wollen aber mit der Ausführung ihrer Aufträge nicht warten, sondern wandern ab. Das ist fatal für die KMU.
FDP-Nationalrätin und sgv-Vizepräsidentin Daniela Schneeberger gibt zu bedenken, dass die Pensionierungswelle der Babyboomer für die kommenden fünfzehn Jahren dazu führen wird, dass sehr viel mehr Personen den Arbeitsmarkt verlassen als eintreten. Dass sich der Fachkräftemangel im Land weiter zuspitzt, zeigen auch die Erhebungen der Adecco Gruppe Schweiz. Gemäss dem Fachkräftemangel Index Schweiz hat der Fachkräftemangel 2019 im Vergleich zum Beginn der Messung 2016 gesamtschweizerisch um 22% zugenommen. Spitzenreiter im Fachkräftemangelranking sind Ingenieur- (z.B. Elektronikingenieure/-innen) und Technikberufe (z.B. Klimatechniker/-innen).
KMU besonders betroffen
«Als KMU sind wir bei Fachkräftemangel doppelt gestraft», sagt Treuhandunternehmerin Daniela Schneeberger. In geeigneter Frist einen Ersatz für eine ausfallende Fachkraft zu finden sei gerade in ihrer Branche absolut unmöglich. Grössere Unternehmen können einen Ausfall abfedern, da sich die Mehrarbeit auf mehrere Köpfe verteilt. Für KMU wiegt ein Ausfall einiges schwerer als bei den Grossen. Dazu kommt, dass die KMU im hart umkämpften Rekrutierungsmarkt schlechtere Karten haben, da sie nicht die gleichen Karrieremöglichkeiten anbieten können wie die Grossen.
Auch der Tessiner CVP-Nationalrat und Metallbauunternehmer Fabio Regazzi warnt vor der Annahme der Initiative. Es würde bedeuten alles in die Luft zu sprengen und das Kind mit dem Bade auszuschütten. «Schon nur das Ausmass von neuer Bürokratie würde die Fähigkeiten vieler KMUs übersteigen», ist er überzeugt. Für die Tessinerinnen und Tessiner sei essentiell, dass die flankierenden Massnahmen (FlaM) verteidigt würden und, soweit möglich, sogar verstärkt werden könnten. Der Lohnschutz dürfe nicht in Frage gestellt werden.s
Marktzugang und Wohlstand gefährdet
Die Guillotine-Klausel würde zu einer Kündigung des gesamten Vertragspakets der Bilateralen I führen. «Ein herber Schlag für die KMU», sagt sgv-Direktor Hans-Ulrich Bigler. Ein Drittel aller KMU erarbeitet mehr als 50 Prozent des Umsatzes im Ausland. Die Verflechtung der KMU mit dem Ausland ist sowohl im Export wie auch im Import enorm hoch. Deshalb ist der Marktzugang in der EU insbesondere für die KMU enorm wichtig. Sie sind auf einen möglichst unbürokratischen, bereits gut institutionalisierten Zugang angewiesen.
Mit dem Wegfall der Bilateralen I würde die Produktevermarktung aufwendiger. Ähnliches gilt für das öffentliche Beschaffungswesen. Das Abkommen über das öffentliche Beschaffungswesen ermöglicht den KMU Zugang zu zusätzlichen Beschaffungsmärkten. Die Initiative missachtet die stark gewachsene Bedeutung grenzüberschreitender Wertschöpfungsketten. Schweizer KMU spielen in Europa eine wichtige Rolle als Zulieferer.
Die Kündigung der Bilateralen I hätte in weiteren wichtigen gesellschaftlichen Bereichen negative Folgen. So auch in der Forschung: «Unsere Hochschulen würden von grossen europäischen Forschungsprojekten ausgeschlossen. Für forschungsnahe Branchen, welche insbesondere auch in der Romandie eine wichtige Rolle spielen, würde es zu neuen Zulassungsprüfungen für ihre Produkte führen», gibt Alt-Regierungsrätin und FDP-Nationalrätin aus dem Kanton Waadt, Jacqueline de Quattro, zu bedenken.
Das Co-Präsidium des KMU-Komitees «Kündigungsinitiative – Arbeitsplätze vernichten NEIN» ruft aus all diesen Gründen das Stimmvolk auf, die Begrenzungsinitiative zum Wohle der KMU abzulehnen. (sgv/mc/ps)