Sika: Kantonsgericht weist SWH-Klage ab – Weiterzug angekündigt
Zug / Zürich – Im Streit um die Zukunft des Baustoffherstellers Sika hat der Verwaltungsrat einen wichtigen Etappensieg gegen die Erbenfamilie Burkard errungen. Das Kantonsgericht Zug hat am Freitag die Anfechtungsklage der Schenker-Winkler Holding (SWH) gegen die Beschlüsse der Generalversammlung 2015 abgewiesen. Während die Sika-Verantwortlichen auf ein Ende der Auseinandersetzung hoffen und Gesprächsbereitschaft signalisieren, kündigt SWH bereits den Weiterzug der Klage an.
Damit sind die seinerzeit gefassten Beschlüsse weiter rechtens. Das Zuger Kantonsgericht hatte die Klage der Schenker-Winkler Holding abgewiesen mit der Begründung, dass von der in den Sika-Stauten festgelegten Vinkulierung nicht nur der direkte Verkauf der Sika-Aktien, sondern auch der indirekte Verkauf mittels Verkauf aller SWH-Aktien erfasst sei.
Unter Berücksichtigung der konkreten Umstände wertete das Gericht den Versuch der SWH, den Verwaltungsrat mit ihr genehmen Mitgliedern zu besetzen als unzulässige Umgehung der Sika-Statuten. Denn mit ihrem Vorgehen hätten Saint-Gobain, die SWH und die Geschwister Burkard den Kontrollwechsel sicherstellen wollen.
Deutlicher Sieg
Alle drei Klagepunkte seien «massiv» abgewiesen worden, sagte ein sichtlich aufgeräumter VR-Präsident Paul Hälg am Freitagabend vor Medien und Analysten. Die Positionen von Sika seien in allen wesentlichen Punkten gestützt worden. Der Zuger Richterspruch setze ein Ende hinter eine zweijährige Phase der Unsicherheit, meinte Hälg.
Sowohl CEO Jan Jenisch als auch Hälg gaben ihrer Hoffnung Ausdruck, dass der Streit nun beigelegt werden könnte. Die Burkard-Familie werde vom Urteil enttäuscht sein, räumte Hälg ein. Sika strecke aber allen Familienmitgliedern die Hand aus, um eine Verhandlungslösung zu finden.
Jenisch sprach davon, dass es Zeit sei, sich zusammenzusetzen. «Wir haben nicht die Zeit, um zwei weitere Jahre vor Gericht zu streiten», erklärte er. Hälg bestätigte, dass eine Offerte zu handen der Familie Burkard vorbereitet wurde. «Ich will jedoch nicht öffentlich über Details reden, bevor wir eine Chance hatten, mit der Familie zu sprechen.
Dieser Haltung schliessen sich auch die Sika-Aktionäre Cascade Investment und der Bill & Melinda Gates Foundation Trust an. Auch hier wird der Spruch des Zuger Gerichts begrüsst, ebenso wie bei der Anlagestiftung Ethos. Die Stiftung will ihren Status als Nebenintervenientin in diesem Rechtsstreit aufrecht erhalten, falls die Familie Burkard gegen den Entscheid des Gerichts Beschwerde einlegt.
SWH zieht Entscheid des Kantonsgerichts weiter
Und das hat die SWH postwenden angekündigt. Man sei weiterhin der Auffassung, dass die vom Verwaltungsrat der Sika AG beschlossene selektive Unterdrückung ihrer Stimmrechte widerrechtlich war, heisst es in einer Stellungnahme. «Die aufgeworfenen Rechtsfragen sind von grundsätzlicher und weitreichender Bedeutung», begründet Urs Burkard, Vertreter der Familie im Verwaltungsrat, den Gang vor die nächste Instanz. Dies muss innert der nächsten 30 Tage geschehen.
«Ich verstehe den Schritt nicht», meine Hälg in einem Interview mit AWP Video gerade auch mit Blick auf die Klarheit des erstinstanzlichen Verdikts.
Die prospektive Käuferin, die französische Saint-Gobain, nimmt das Urteil zur Kenntnis, wie es dort heisst. Man sei zuversichtlich, dass das Schweizer Rechtssystem im Berufungsverfahren die Eigentümerrechte der SWH wiederherstellen werde. Der Verwaltungsrat von Saint-Gobain bekräftige seine Entschlossenheit, das industrielle Vorhaben wie geplant umzusetzen, heisst es weiter.
Mit der heutigen Entscheidung ist der Verkauf von Sika an Saint-Gobain für SWH also nicht vom Tisch. Der bestehende Verkaufsvertrag zwischen der Familie Burkard und dem französischen Konzern Saint-Gobain ist gültig bis Ende Juni 2017 und kann von Saint-Gobain bis Ende 2018 verlängert werden, betonen sowohl die Familien-Holding als auch Saint Gobain.
Ethos und Gates Stiftung erfreut
Erfreut über das Gerichtsurteil zeigten sich hingegen am Freitagabend die Stiftung Ethos und die Aktionäre rund um die Bill und Melinda Gates Stiftung. In Anbetracht der Bedeutung dieses Urteils für Sika und den Wirtschaftsstandort Schweiz erhalte Ethos den Status als Nebenintervenientin in diesem Rechtsstreit aufrecht.
Auch der Trust hinter der Bill und Melinda Gates Stiftung begrüsste den Entscheid ausdrücklich. Dieses Urteil sei erwartet worden, denn die Schweizer Justiz stelle sich hinter die Prinzipien einer guten Unternehmensführung und schütze die Interessen der Aktionäre, heisst es in einer Mitteilung des Bill & Melinda Gates Foundation Trust und von Cascade Investment, L.L.C.
Die Investorengruppe bleibe offen für Gespräche mit der Familie Burkard. Die Familie müsse aber die Klauseln zum Schutz der Aktionäre in den Statuten respektieren.
Klage richtete sich gegen Sika-GV 2015
Der Verwaltungsrat hatte an der Generalversammlung eine Beschränkung der SWH-Stimmrechte für verschiedene Traktanden verfügt. Ohne diese Massnahme hätte die Erbenfamilie bei sämtlichen Voten ihren Willen durchsetzen können. Denn die Schenker-Winkler-Holding kontrolliert mit 16% des Kapitals 53% der Stimmrechte – und damit eindeutig die Mehrheit.
Mit diesem juristischen Kniff hatte der Verwaltungsrat von Sika im April 2015 die Unabhängigkeit des Konzerns vorerst gewahrt. Die Familie Burkard will ihre in der SWH zusammengefasste Kontrollmehrheit an Sika an den französischen Baukonzern Saint-Gobain veräussern.
Weitere Klagen sind noch hängig
Der Übernahmekampf um Sika liefert weiterhin Juristenfutter: Bei Gericht sind derzeit noch zwei weitere Anfechtungsklagen der SWH hängig. Auch hier geht es um die umstrittene Anwendung der Vinkulierung an den nächsten beiden Generalversammlungen.
Am Friedensrichteramt im zugerischen Baar sind des weiteren zwei Verantwortlichkeitsklagen hängig, mit denen sich die Gegner und Befürworter des Verkaufs eingedeckt haben. Die eine Klage wurde von der Stiftung von Microsoft-Gründer Bill Gates und seiner Frau Melinda gegen Urs Burkard, dem Vertreter der Gründer-Familie im Sika-Verwaltungsrat, eingereicht.
Gemäss den Klägern ist Burkard der Urheber des geplanten Verkaufs an die französische Saint-Gobain. Trotzdem habe er öffentlich verlauten lassen, dass das Engagement der Familie Burkard ungebrochen sei. Die Kläger fordern darum Entschädigungen für die Aufwendungen, die dem Sika-Konzern infolge dieser Aktivitäten entstanden sind.
Die andere Klage wurde von der SWH eingereicht und richtete sich gegen die unabhängigen Verwaltungsräte Monika Ribar, Ulrich Suter und Christoph Tobler. Begründet wurde die Klage mit der Kampagne, die der Sika-Verwaltungsrat gegen den Verkauf des Aktienpakets der SWH führe. Der Sika-Verwaltungsrat gebe unverhältnismässig viel Geld aus, um gegen den eigenen Ankeraktionär vorzugehen. In beiden Fällen hat der Friedensrichter in Baar noch nicht entschieden.
Höhere Aktienkurse zu erwarten
Dem sich abzeichnenden Fortgang des juristischen Hickhacks zum Trotz dürften die Sika-Aktien kommenden Montag mit einer kleinen Erleichterungsrally in den Tag starten. Denn die Aktien hatten seit Anfang Oktober einen schweren Stand und standen mehrheitlich unter Druck, weil das Urteil für das vierte Quartal angekündigt worden war. Am Freitag, als bekannt wurde, dass der Gerichtsentscheid am Abend publiziert wird, sackten sie bis Handelsende um weitere 4,2% ab. (awp/mc/upd/ps)