Simonetta Sommaruga, Vorsteherin des EJPD und im kommenden Jahr Bundespräsidentin. (Foto: admin.ch)
Bern – Die Präsidien im Bundeshaus sind ganz in SP-Hand: Nachdem vergangene Woche der Walliser Stéphane Rossini und der Jurassier Claude Hêche auf den Präsidentensesseln des National- und Ständerats Platz nahmen, ist am Mittwoch Simonetta Sommaruga zur neuen Bundespräsidentin gekürt worden.
Die Bundesversammlung wählte die 54-jährige Bernerin mit 181 von 210 gültigen Stimmen zur Präsidentin des Bundesrats für das Jahr 2015. Dies ist das beste Resultat, das eine Frau je erzielt hat. In den vergangenen zehn Jahren erzielten nur die FDP-Bundespräsidenten Pascal Couchepin (197), Hans-Rudolf Merz (185) und Didier Burkhalter (183) mehr Stimmen. Ein gutes Resultat war erwartet worden, da keine Fraktion sich gegen die Wahl der Justizministerin aussprach. Selbst die SVP, welche sich mit Sommarugas Asylpolitik nicht immer identifizieren kann, unterstützte die Bernerin: Von den 236 eingegangenen Wahlzettel waren 4 ungültig, 22 Parlamentarierinnen und Parlamentarier legten leer ein.
Kompromisse statt Konflikte
Die neu gewählte Bundespräsidentin will in ihrem Präsidialjahr einen Akzent auf die direkte Demokratie setzen, wie sie in ihrer Ansprache im Nationalratssaal betonte. Zu dieser gehörten im Politalltag auch heftige Diskussionen – und oft ein Mittelweg als Lösung. «Ohne Kompromisse gibt es keine Konkordanz», sagte Sommaruga.
Sie lobte das «einzigartige politische System der Schweiz», das auch im Jahr 2015 im Gespräch bleiben soll, und plädierte für ein vermehrtes Miteinander. Ob in der Regierung, im Parlament oder auf der Strasse: «Wir müssen aufeinander zugehen, auch wenn sich manchmal Lager mit unterschiedlichen Meinungen gegenüberstehen.»
Der Respekt vor Andersdenkenden gehöre genau so in die politische Kultur wie Kompromisse. Diese seien als Ausdruck von Stärke und nicht etwa als Schwäche zu verstehen. Besonders bei den anstehenden grossen Reformen in der Energie-, Sozial-, Migrations-, Finanz- und EU-Politik seien gut schweizerische Kompromisse von grösster Bedeutung.
Lob an Vorgänger
Die direkte Demokratie sei keine Solo-Vorstellung des Volkes, sondern ein Zusammenspiel. Die passionierte Pianistin bezeichnete den Bundesrat musikalisch als Septett, das Parlament als 246-köpfiges Orchester und das Stimmvolk als Chor. Der Bundesrat sei eine «sehr gute Equipe» mit einer «guten Streitkultur», sagte Sommaruga an einem kurzen Medientermin nach der Wahl. Im Präsidialjahr wolle sie zu einem guten Klima beitragen; die Kooperation in der Landesregierung erklärte sie zu einem weiteren Schwerpunkt.
Die neu gewählte Bundespräsidentin erklärte weiter, dass das Jahr 2015 ein schwieriges werden könnte. «Der internationale Kontext wird sich nicht gross ändern.» Der Nahe Osten und die Krim blieben Krisenherde. Hier gelte es für die Schweiz, den «beispielhaften Einsatz von Didier Burkhalter», der in seinem Präsidialjahr als OSZE-Vorsitzender amtete, fortzusetzen.
Fortsetzung einer Bilderbuchkarriere
Für Sommaruga ist die Wahl zur Bundespräsidentin der vorläufige Höhepunkt ihrer Bilderbuchkarriere: Sie war am 22. September 2010 im Alter von 50 Jahren in den Bundesrat gewählt worden, als Nachfolgerin von Moritz Leuenberger. Die Nichtjuristin musste das EJPD gegen ihren Willen und jenen ihrer Partei übernehmen. Bereits nach hundert Tagen im Amt beteuerte sie jedoch, dass sie kein Problem damit habe.
Vor ihrer Wahl in den Bundesrat schaffte sie 1999 den Sprung von der Exekutive der Berner Vorortsgemeinde Köniz in den Nationalrat – auch dank ihrem Engagement bei der Stiftung für Konsumentenschutz. 2003 gelang es ihr, Berns bürgerliches Bollwerk im Ständerat zu sprengen. Fast sieben Jahre lang war die Mitglied der kleinen Parlamentskammer.
Sommaruga geniesst den Ruf einer souveränen, nervenstarken und dossierfesten Politikerin. Als Justizministerin ist sie für die Umsetzung der Zuwanderungsinitiative zuständig – ein Thema, das die Schweiz beschäftigt wie kein anderes. Das Bundespräsidium wird sie kaum aus der Ruhe bringen. So sagte sie denn auch, es sei «eine Ehre und Verpflichtung, Bundespräsidentin zu sein». Der Kontakt mit der Bevölkerung werde ihr viel Freude bereiten. Vor den Medien zeigte sie sich «sehr bewegt» und «berührt» von ihrer guten Wahl, die sie als «Zeichen des Vertrauens» wahrnehme.
Schneider-Ammann zum Vize gewählt
Als Bundespräsidentin leitet Sommaruga während eines Jahres die wöchentlichen Sitzungen der Regierung und übernimmt Repräsentationspflichten. Sie ist die fünfte Frau auf diesem Posten. Mit der Sozialdemokratin wird der Kanton Bern zum 24. Mal im Bundespräsidium repräsentiert. Der letzte Berner war der SVP-Politiker Samuel Schmid im Jahr 2005. Sommaruga ist die erste Berner SP-Bundespräsidentin.
Ebenfalls ein Berner wird im Jahr 2016 voraussichtlich auf Sommaruga folgen: Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann wurde ebenfalls mit einem sehr guten Resultat zum Vizepräsidenten des Bundesrats gewählt. Er erhielt 173 von 195 gültigen Stimmen. Bundesrätin Doris Leuthard erhielt 13 Stimmen und andere 9 Stimmen. (awp/mc/pg)