Stäfa – Die galoppierende Inflation und die massiven Kostensteigerungen machen dem Hörgerätehersteller Sonova einen fetten Strich durch die Rechnung. Der Konzern aus Stäfa stutzt die Finanzziele fürs laufende Geschäftsjahr. Die Investoren reagierten geschockt. Die Aktie sackte um 15 Prozent ab.
Grund für die Gewinnwarnung sei die schwächere Nachfrage in einigen Hochpreisländern, vor allem in den USA, teilte Sonova am Dienstag in einem Communiqué mit. Wegen der hochgeschnellten Teuerung seien die Konsumenten beim Kauf von Hörhilfen zurückhaltender als erwartet, erklärte Konzernchef Arnd Kaldowski in einer Telefonkonferenz: «Wir hatten im Mai bei der Veröffentlichung der Prognosen fürs Geschäftsjahr 2022/23 noch nicht mit so einem Druck durch die Inflation gerechnet.»
Zudem leide die Kaufbereitschaft von amerikanischen Rentner unter der Talfahrt der Aktienbörsen, die bei ihnen auf die Altersvorsorge drücke. Dies schlägt bei Sonova auf den Umsatz durch. Im Juli habe sich die Nachfrage ausser in den USA auch in Deutschland und Kanada abgeschwächt. Im August sehe es wieder besser aus. Die Abschwächung der Nachfrage sei aber nicht vergleichbar mit dem Einbruch durch die Coronapandemie.
Hohe Kosten belasten Gewinn
Gleichzeitig würden höhere Kosten für Transport und Komponenten den Gewinn belasten. Diese seien die negativste Überraschung, sagte der Konzernchef. Die Kosten seien im Vergleich zum Vorjahr um 40 Prozent gestiegen. Die Schliessung von Häfen in China als Folge der Pandemiebekämpfung und die teureren Treibstoffpreise hätten die Lufttransportkosten hochgetrieben.
Dies habe die Bruttomarge im Hörgerätegeschäft gedrückt, erklärte Sonova. Der Umsatz im erstmals konsolidierten Geschäft mit Luxus-Kopfhörern werde aufgrund der üblichen Saisonalität im zweiten Geschäftshalbjahr erwartungsgemäss stärker ausfallen, hiess es. Das Geschäft hatte Sonova von Sennheiser gekauft und ist seit Mai in den Büchern.
Um Gegensteuer zu geben, habe Sonova die Listenpreise um 5 bis 6,5 Prozent erhöht, sagte Kaldowski. Allerdings machen die Listenpreise nur die Hälfte des Umsatzes aus.
Insgesamt erwartet Sonova für das erste Geschäftshalbjahr 2022/23 beim Gesamtumsatz ein Wachstum von 16 bis 18 Prozent bei konstanten Wechselkursen. Der bereinigte Betriebsgewinn vor Amortisationen EBITA bleibe gegenüber der Vorjahresperiode weitgehend unverändert zu konstanten Wechselkursen.
Ausblick gestutzt
Angesichts der aktuellen Herausforderungen sowie der ungewissen Entwicklung im restlichen Jahresverlauf wird der Ausblick für das ganze Geschäftsjahr 2022/23 jedoch nach unten angepasst. Neu erwartet Sonova beim Gesamtumsatz ein Wachstum von 15 bis 19 Prozent, nachdem der Konzern bisher ein Wachstum von 17 bis 21 Prozent angepeilt hatte.
Beim bereinigten EBITA rechnet Sonova neu mit einem Anstieg um 6 bis 10 Prozent. Zuvor war beim bereinigten EBITA ein Plus um 12 bis 18 Prozent in Aussicht gestellt worden.
Dies sind allerdings die Ziele zu konstanten Wechselkursen: Zusätzlich verursacht die Aufwertung des Frankens Gegenwind. Sonova geht von einem negativen Einfluss auf den ausgewiesenen Gesamtumsatz sowie auf die Profitabilität in Schweizer Franken aus.
Das Ausmass der Währungen sei schwierig zu beziffern, sagte Finanzchefin Birgit Conix. Im Mai hatte Sonova einen Bremseffekt im tiefen einstelligen Prozentbereich beim Umsatz vorhergesagt. Beim EBITA werde dieser Effekt aber höher ausfallen als beim Umsatz.
Im vergangenen Geschäftsjahr hatte Sonova einen Umsatz von 3,3 Milliarden Franken eingefahren und damit erstmals die Marke von 3 Milliarden geknackt. Der EBITA belief sich auf 844,4 Millionen Franken.
Aktie fällt wie ein Stein
Die Hiobsbotschaft kam bei der Finanzgemeinde miserabel an. Die Anleger traten eine Verkaufswelle los: Die Sonova-Aktie stürzte bis Handelsschluss um gut 15 Prozent ab. Derweil lag der Gesamtmarkt (SLI) nur um 1 Prozent im Minus. (awp/mc/ps)