SP-Co-Präsident Wermuth spricht Berset Vertrauen aus – SVP fordert «lückenlose Aufklärung»
Bern – Gesundheitsminister Alain Berset hat laut SP-Co-Präsident Cédric Wermuth nach wie vor das Vertrauen seiner Partei. Berset habe – trotz aller Vorwürfe – in der Pandemie ohne Zweifel einen «hervorragenden Job» gemacht. SVP-Parteipräsident Marco Chiesa fordert derweil in den Tamedia-Zeitungen von Berset eine «lückenlose Aufklärung».
Berset mache Politik im Sinne des Gemeinwohls und vertrete die Werte der SP, sagte Wermuth am Samstag der «Samstagsrundschau» von Radio SRF. Dies sei der entscheidende Punkt – und nicht die Persönlichkeit eines Bundesrates.
Der Aargauer Nationalrat warf der politischen Konkurrenz vor, mit den Indiskretionen aus dem Innendepartement in der Corona-Pandemie Wahlkampf zu machen. Der Zeitpunkt der Enthüllungen sei kein Zufall.
«Nicht die erste Kampagne»
Es sei nicht die erste Kampagne gegen die SP, sagte Wermuth weiter. Vermutungen darüber, wer Informationen zu Kontakten zwischen dem Ex-Kommunikationschef von Gesundheitsminister Alain Berset und dem Geschäftsführer des Ringier Verlags an die «Schweiz am Wochenende» weitergeleitet haben könnte, wollte er aber nicht anstellen.
Zugleich warnte Wermuth vor voreiligen Schlüssen: «Ich will ein richtiges Urteil, und nicht ein schnelles.» Neben der Justiz seien der Gesamtbundesrat und die Geschäftsprüfungskommissionen am Zug. Die Indiskretionen müssten aufgearbeitet werden. Ob es sich im juristischen Sinn um Amtsgeheimnisverletzungen handle, müssten die Gerichte klären.
Dass Berset nicht von sich aus weitere Informationen öffentlich machen wolle, sei seine persönliche Entscheidung, erklärte der SP-Co-Präsident weiter. Der SP-Bundesrat werde sich gegenüber den zuständigen Gremien zu erklären haben.
Kritik an Sonderermittler
Zugleich wies Wermuth den Vorwurf zurück, die Politik verzögere die Aufklärung der Vorgänge. In der aktuellen Situation sei man vielmehr, weil der ausserordentliche Staatsanwalt Peter Marti bei seiner Untersuchung offensichtlich «massive Fehler» gemacht habe. Auch das jüngste Datenleck behindere die Justiz. Niemand, der ein Interesse an einer Aufklärung habe, hätte die Daten weitergeben dürfen.
Ihn störe die unehrliche Art und Weise, wie die Diskussion geführt werde, so Wermuth: «Leider ist die Landesregierung seit ein paar Jahren ein absolutes Sieb, was den Inhalt von Sitzungen angeht.» Indiskretionen seien leider in Bundesbern ein alltägliches Phänomen. Alle, die behaupteten, sich dessen nicht bewusst gewesen zu sein, seien Heuchler.
Marti war ursprünglich beauftragt worden herauszufinden, wie vertrauliche Informationen zur Crypto-Affäre zu den Medien gelangen konnten. Der Sonderermittler weitete seine Untersuchung aber später auf mögliche Amtsgeheimnisverletzungen zur Corona-Politik aus. Dieser Schritt ist unter Rechtsexperten umstritten. Auf eine Anzeige von Bersets Ex-Kommunikationschef Peter Lauener hin ermittelt mittlerweile ein zweiter ausserordentlicher Staatsanwalt gegen Marti.
Wermuth kritisierte die Forderung nach der sofortigen Veröffentlichung von Informationen. Wer dies wolle, verlange de facto eine Vorverurteilung etwa in den Akten namentlich genannter Mitarbeitender der Bundesverwaltung. Es sei richtig, mit derartigen Daten sorgfältig umzugehen. Das Parlament könne nicht einfach einen öffentlichen Pranger schaffen.
SVP fordert von Berset «lückenlose Aufklärung»
Die SVP fordert derweil die Veröffentlichung der Protokolle der Einvernahme von Bundespräsident Alain Berset zu den sogenannten Corona-Leaks. Die Bevölkerung habe ein Recht auf Transparenz, sagte Parteipräsident Marco Chiesa gegenüber den Tamedia-Zeitungen.
Die SVP fordere von Berset eine lückenlose Aufklärung, so Chiesa. Dieser hätte sich längst erklären können. Er bezeichnete den Bundespräsidenten als «Alleinverantwortlichen».
Offenbar habe es «einen Pakt zwischen dem Ringier-Verlag und dem Innendepartement» gegeben, führte der Tessiner Ständerat in dem am Samstag erschienenen Interview aus: «Ziel war letztlich: Berset musste in den Medien der Beste sein. Deswegen haben wir jetzt eine institutionelle Krise».
Die «Schweiz am Wochenende» hatte vor einer Woche berichtet, Bersets Ex-Kommunikationschef Peter Lauener habe dem Ringier-Verlag wiederholt vertrauliche Informationen zu geplanten Covid-Massnahmen des Bundesrats übermittelt. Sie stützte sich dabei nach eigenen Angaben auf Mails und Einvernahmeprotokolle, die der Redaktion vorlagen.
Ob Berset von den Aktivitäten Laueners wusste, ist aus Sicht des SVP-Präsidenten von untergeordneter Bedeutung: Falls Berset nicht gewusst habe, was sein Kommunikationschef getan habe, wäre dies «ein eklatantes Führungsversagen», sagte er im Interview. Falls er im Bilde gewesen sei, müsse man ohnehin nicht mehr weiter diskutieren.
Anders als zuvor der Zürcher SVP-Nationalrat Alfred Heer forderte Chiesa den Gesundheitsminister nicht direkt zum Rücktritt auf. Dieser sollte selbst die Konsequenzen ziehen, forderte er lediglich. (awp/mc/ps)